Definitiv Päderast

Als ich ein Junge war, wusste ich bereits, was ich fühle, hatte aber keinen Namen dafür.

Ich habe dann einfach den Hauptartikel zum Thema Sexualität in unserem Lexikon nachgeschlagen und bin den Querverweisen gefolgt. Ich bin mir leider nicht mehr ganz sicher, wie alt ich damals war. Vielleicht 12. Vielleicht auch bereits 14.

Im DTV Lexikon von 1982 hätte ich den folgenden Eintrag zur Päderastie finden können:

Päderastie [grch.], erotisch-sexuelle Beziehungen männl. Erwachsener zu Jugendlichen gleichen Geschlechts; Form homosexuellen Verhaltens.

Das ist doch etwas sehr dürftig. Zum Glück hatten wir zu Hause die Ausgabe von 1973. Die Stellen, die mir damals besonders relevant erschienen, habe ich hervorgehoben.

Päderastie [grch. >Knabenliebe<], die; die gleichgeschlechtliche Beziehung von älteren zu jüngeren Männern oder Knaben (→ Homosexualität).

Erhaltene Gesetzte beweisen, dass es gleichgeschlechtliche Verhältnisse zwischen Männern bei allen Völkern des Vorderen Orients gab. So wird im assyrischen Gesetzbuch der geschlechtl. Verkehr zwischen Männern mit Strafe bedroht; während bei den Hethitern anscheinend nur der Verkehr des Vaters mit dem Sohn verboten war. Im alten Iran wurde die P. von Zoroaster und der zoroastrischen Priesterschaft verfolgt und bekämpft.

Der strenge Standpunkt des A.T. erhellt aus 1. Mos, 19, 1-29; 3. Mos., 18, 22 und 20, 13; der des jüd. Gesetzes aus Sanhedrin VII, 4. In der christl. Kirche setzte sich die alttestamentl. Anschauung, unterstützt von Äußerungen des Paulus (Rom. 1, 26-27, 1. Kor. 6, 9-10), durch.

Über die P. Im Aten Orient wissen wir nur, dass es Kinäden (Tänzer) gab, die auch in gewissen Götterkulten auftraten und deren Namen geradezu gleichbedeutend mit pathicus (passiver Päderast) wurde.

Bedeutend mehr ist über die P. In der griech.-röm. Antike bekannt. Im alten Griechenland fand die Knabenliebe öffentl. Duldung und Förderung, ja Heiligung. Am ausgeprägtesten war sie bei den Doreren, wo sie mit dem Rittertum und der Organisation der Gesellschaft verknüpft war, Ethisches und sinnliches Moment standen gleichberechtigt nebeneinander. Auf Kreta pflegte der Liebhaber den Knaben mit Duldung der Familie zu rauben, um ihn zwei Monate lang in den ritterl. Künsten zu unterweisen; keinen Liebhaber zu haben galt als Schande. In Sparta war der Liebhaber der gesetzl. Vormund des Knaben. Auf der Insel Thera gefundene Felsinschriften beweisen, dass die sinnliche Knabenliebe gerade in den besten Kreisen sich in aller Öffentlichkeit vollzog, In Attika war die Knabenliebe mit Palästra und Gymnasium verbunden; Vasenbilder schildern das Liebeswerben der Männer um die Knaben, und nur die gewerbsmäßige Unzucht galt als schimpflich.

Die Römer übernahmen die gleichgeschl. Liebe teils von den Etruskern, teils von den Griechen. Gegenstand der Liebe war bei ihnen jedoch meist ein Sklave. Seit Justinian setzte sich aber die jüd. und christl. Auffassung von der Knabenliebe auch in der Gesetzgebung durch und behaftete die P. mit einem Makel.

Die hellenist. Überlieferung setzte sich im mittelalterl. und neueren Orient bis in die neueste Zeit fort. Trotz der Polemik der Geistlichkeit, die sich auf die in den Koran aufgenommene Lotgeschichte berief, pflogen nach dem Eindringen der Araber in die hellenist. Welt alle Stände der P. Ihr war auch die Lyrik, vor allem die pers. und türk. gewidmet (Attar, Iraki, Hafis). Gegenstand dieser Liebe waren neben freien Knaben und Jünglingen hauptsächl. die wegen ihrer Schönheit bekannten Sklaven osttürk. Herkunft. In Turkestan sind die Tänze der Tanzknaben, die von Liebhabern angeschwärmt werden, eine weitverbreitete Volksbelustigung. Die islam. Mystiker betrachten vielfach die Schönheit des Knaben oder Jünglings als Abglanz der Schönheit Gottes.

Das passte! In dieser Lexikon-Definition habe ich das, was ich fühlte, eindeutig wiedererkannt.

Daran, jemanden zu lieben, ist nichts schändlich. Das war mir schon damals völlig klar. Die abfällige Meinung des Christentums hat mich nicht sonderlich interessiert, was vielleicht auch damit zu tun hatte, dass Religion in meinem Elternhaus keine große Rolle spielte. Mein sehr religiöser Großvater war diesbezüglich eher ein abschreckendes Beispiel.

Nachdem ich den Lexikoneintrag gelesen hatte, war jedenfalls alles klar. Er hatte meine Frage zufriedenstellend beantwortet und die Antwort war für mich undramatisch. Ich konnte gut damit leben.

Die Schmerzen kamen erst später. Einerseits die Tantalosqualen des unglücklich Verliebten, der seinen unerreichbaren Traumjungen aus der Ferne anschmachtet. Andererseits das volle Bewusstsein der Verachtung der Gesellschaft. Aber das ist eine andere Geschichte, die ich ja auch durchaus schon erzählt habe. Es handelt sich ja leider um ein Dauerthema.

Auch wenn es nach der ersten seelischen Erschütterung besser wird, bleibt die Verachtung und Stigmatisierung ein andauernder Druck, der auf die Seele eine ähnliche Wirkung hat, wie die ständige Belastung durch Bettlägrigkeit auf die Haut. Wenn man sich nicht darum kümmert, führt sie zum Wundliegen bzw. dazu, dass sich ein Druckgeschwür entwickelt. Das hört sich vielleicht immer noch eher harmlos an, aber das vergeht, wenn man „Dekubitus“ googelt und die Bildersuche bemüht.

Man behandelt den Druck am besten, durch Kontakt mit anderen Betroffenen z.B. in Selbsthilfeforen oder indem man sich im Abglanz der Schönheit Gottes sonnt. Ein besonderes Bild oder nettes Video kann manchmal schon ein wenig helfen. Aber ein Pädo blüht so wirklich auf, wenn er soziale Nähe zu Jungs erleben darf (bzw. zu Mädchen, wenn das die Geschlechtspräferenz ist). Das, was man gemeinhin unter Sexualität verbucht, ist keineswegs das Wichtigste.

Ich identifiziere mich auch heute noch mit der Idee der Päderastie. Sie beschreibt das Ideal des sinnlich begehrten Jungen, dem man heute ein Mentor ist und morgen ein lebenslanger Freund wird. In ihr verbinden sich Liebe und Verantwortung für einen jungen Menschen in einer für mich natürlichen Weise.

Im Grunde kann man sexuelle Anziehung nicht erklären. Irgendwann bemerkt man, dass sie da ist und sie hat dann etwas magnetisches. Dann dreht man sich um, um jemanden anzuschauen, den man normalerweise nicht weiter beachten würde. Für jemanden wie mich sind Jungen die schönsten Wesen der Welt.

Schönheit ist in gewisser Weise ultimativ subjektiv, es gibt aber auch einen für Menschen quasi allgemeingültigen Anteil. Es gibt gewisse Naturerlebnisse, die eigentlich jeder schön findet. Ein besonders beeindruckender Berg, ein malerischer See, Meeresbrandung auf Felsen, ein Sonnenuntergang oder die Zweige eines Baumes.

Ein Muster, dass eigentlich alle Menschen anspricht ist das Kindchenschema, also kindliche Proportionen, vor allem auch bestimmte Gesichtszüge, die als Schlüsselreiz wirken und Brutpflegeverhalten auslösen. Wer diese Züge aufweist wird für niedlich und oft auch schön gehalten. Brutpflege hat offensichtlich etwas Erfüllendes. Es gibt viele Haustierrassen, bei denen man den adulten Tieren jungtierhafte Züge angezüchtet hat. Und das betrifft oft nicht nur das äußere Erscheinungsbild, sondern auch das Verhalten, etwa einen ausgeprägten Spieltrieb.

Das für mich interessante Alter liegt bei ca. 10 bis 14 Jahren. Auch etwas jüngere Jungen finde ich bereits schön, aber noch nicht sexuell anziehend. Im unteren Bereich meiner Altersrange finde ich Jungen niedlicher und süßer. In diesem Bereich dominiert der Wunsch, die Jungen zu beschützen. Im oberen Bereich finde ich sie vor allem sexy. Der Wunsch den Jungen zu beschützen verschwindet nicht, aber das Begehren tritt in den Vordergrund. Wenn die Pubertät dann den optischen Sprung in Richtung Mann vollzieht, ist der Junge für mich auf einmal verwelkt. Jedenfalls äußerlich. Ein geliebter Mensch bleibt wichtig aber die Schönheit ist dahin und die Liebe ist anders als zuvor.

Innerhalb der für mich interessanten Altersgruppe tritt das sexuelle Begehren nie allein auf. Es gibt immer auch einen gewissen Anteil „Brutpflegeverhalten“. Die Anteile verschieben je nach Alter eines Jungen etwas, sie sind aber beide immer vorhanden. Und weil beides stets zusammenfällt, entspricht für mich das „natürliche Streben“ meiner sexuellen Ausrichtung dem Ideal der griechischen Päderastie, also dem eines Mentorenverhältnis, von dem ich mir wünsche, dass es sich nach dem Ausklingen des sinnlich-sexuellen Anteils in eine lebenslange Freundschaft wandelt.

Für Kinderschützer ist Päderastie dagegen ein rotes Tuch. Nicht nur weil sie eine positive Deutung und die Möglichkeit von Einvernehmlichkeit nahelegt bzw. zulässt. Es ist auch noch gerade die Ungleichheit der Beteiligten, die aus der Sicht heutiger Kinderschützer jeden Kontakt zu Gewalt macht, die den ethisch-sittlichen Wert der Päderastie stiftet. Ein Mentorenverhältnis unter Gleichen wäre nicht möglich. Päderastie wird deshalb oft wahlweise verleugnet und als Homosexualität umgedeutet oder als institutionalisierte Vergewaltigung hingestellt.

In Grunde ist es aber wie bei jeder Liebe. Derjenige, der geliebt wird, wird für den Liebenden zum wichtigsten Menschen der Welt. Er bekommt Aufmerksamkeit, Zuneigung, Liebe, Interesse, Zärtlichkeit, Verständnis, Hilfe, Unterstützung und Gemeinschaft.

Welchen Wert hat das?

Der Kinderpsychiater Paulus Hochgatterer glaubt, dass es einen ganz wichtigen prognostischen Faktor gibt, der etwas darüber aussagt, ob sich ein Kind gut entwickelt oder schwierig wird:

„One caring person“. Das ist eine Person, idealerweise eine erwachsene, bei der das Kind das Gefühl hat, dieser Mensch interessiert sich für mich, diesem Menschen bin ich wirklich ein Anliegen. Das kann ein Elternteil sein oder ein Großelternteil, das kann jemand in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft sein, eine Tante oder ein Onkel. Es ist dabei überhaupt nicht wichtig, ob das ein Mann oder eine Frau ist.

Paulus Hochgatterer möchte das vermutlich nicht hören, aber es ist auch egal, ob der Erwachsene pädophil ist.

Egal wie skandalös man das finden mag: wer liebt und sich kümmert, ist gut genug.

Flüchten, Kämpfen, Totstellen

Es gibt drei Hauptstrategien mit Bedrohungen umzugehen: Flucht, Kampf und Totstellen. Je nach Prägung und Charakter neigen Menschen mehr oder weniger zu einer der drei Antwort-Reaktionen.

Wer zum Kampf neigt, kauft in der aktuellen Corona-Krise Nudeln und Klopapier auf Vorrat. Wer zu Flucht neigt, verlässt nicht mehr seine Wohnung und vermeidet Kontakte über das vorgeschrieben Maß hinaus.

Mit dem Totstellen ist es etwas schwieriger eine Verhaltensweise zu identifizieren, ich denke aber ihm entspricht am ehesten die Ignoranz der Gefahr. Also weiter mit Freunden treffen, als wäre nichts gewesen oder die Bedrohung als erfunden oder als harmlos wie eine gewöhnliche Grippe darstellen.

Auch wenn man mehr zu einer der drei Reaktionen neigt, tritt in der Realität oft ein Mix auf. Hinzu kommt, dass alternative Reaktionen greifen, wenn die „natürliche“ Hauptreaktion nicht erfolgversprechend ist. Wenn der Gegner zu übermächtig ist, bleibt auch dem Kämpfer nur die Flucht. Wenn der Fluchtweg abgeschnitten ist, muss sich auch der Flüchter dem Kampf stellen. Wenn das Totstellen fehlgeschlagen ist, muss sich der Totsteller für Flucht oder Kampf entscheiden.

Wer pädophil ist, ist dadurch einer Dauerbelastung ausgesetzt. Pädophilie ist geächtet und stigmatisiert, wie nichts sonst. Man muss sich also, um das soziale Überleben zu sichern, verstecken.

Auch wenn man zu Flucht oder Kampf neigt: vor seiner sexuellen Orientierung kann man nicht (erfolgreich) flüchten. Die Ächtung ist zudem so stark und absolut, dass auch Kampf keine erfolgversprechende Reaktion ist. Im Grunde kann man sich also fast nur Totstellen.

Keine der drei Panikreaktionen auf Bedrohungen hält man dauerhaft aus. Sie sind ein Notfallprogramm, das nicht als Dauerzustand gedacht ist. Kommt es dennoch zu einem Dauerzustand, dann führt das zu einer Überlastung:

Allgemeines Anpassungssyndrom (AAS, synonym Adaptationssyndrom, Selye-Syndrom, engl. general adaption syndrome) bezeichnet ein allgemeines Reaktionsmuster des Körpers auf länger anhaltende Stressreize. (…)

Ist ein Organismus längere Zeit Stressoren (u. a. Leistungsdruck, Lärm, Hitze, Hunger, psychische Belastungen) ausgesetzt, zeigt er eine Antwort, die eine kurzzeitige Erhöhung der Widerstandskraft bewirkt, langfristig aber zu körperlichen Schäden bis hin zum Tod führen kann.

Man unterscheidet drei Stadien:

Alarmreaktion

Die akute körperliche Anpassungsreaktion wird vor allem durch Stresshormone ausgelöst, die der raschen Bereitstellung von Energiereserven dienen. (…) Der Körper gerät so in einen Zustand erhöhter Aktivität und höherer Leistungsbereitschaft.

Widerstandsstadium

Nach einer kurzen Alarmreaktion gerät der Körper in die sogenannte Widerstandsphase, in der er bestrebt ist, das aktuelle Stressniveau durch Beseitigung der stressauslösenden Reize wieder zu reduzieren, die in der Alarmreaktion ausgeschütteten Stresshormone abzubauen und so den Normalzustand wiederherzustellen. Diese Widerstandsphase kann allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum aufrechterhalten werden. (…)

Erschöpfungsstadium

Ist ein Mensch ständig Phasen erhöhter Aktiviertheit ausgesetzt, kann es zu ernsthaften Langzeitschädigungen kommen. Auf körperlicher Ebene kann es zur Schrumpfung der Thymusdrüse und der Lymphdrüsen kommen. Es können zudem Magengeschwüre entstehen. Mittelfristig kann es zu Störungen auf der kognitiven, der emotionalen, der vegetativ-hormonellen und der muskulären Ebene kommen.

Beispiele für Störungen aufgrund von andauerndem Stress sind verzerrte Wahrnehmungen und Denkweisen (kognitive Ebene), Befindlichkeitsstörungen wie Gereiztheit, Ängstlichkeit, Unsicherheit oder Aggressivität (emotionale Ebene). Weitere Folgen können verminderte Leistungsfähigkeit, ineffiziente Handlungsweisen sowie allgemeine Überforderung und Erschöpfung sein. Die Erschöpfung zeigt sich unter anderem darin, dass der Körper schneller in den genannten Aktivierungszustand (siehe „Alarmreaktion“) gerät, wobei die Aktivierung intensiver ist und der Körper sich nur langsam wieder erholt (vegetativ-hormonelle Ebene).

Langfristige Auswirkungen von Stress können die langfristige Beeinträchtigung des Wohlbefindens, psychosomatische und psychische Störungen sowie diverse Krankheiten (z. B. Magen-Darm-Krankheiten, Hautkrankheiten, Schlafstörungen, Depression, Burnout-Syndrom) sein. Außerdem ist das Risiko für Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Krankheiten erhöht (vgl. Faltermaier, 2005).

Aus dem Wikipedia-Artikel „Allgemeines Anpassungssyndrom

Wozu ein Zustand erhöhter Aktivität und höherer Leistungsbereitschaft bei Flucht und Kampf dient, ist offensichtlich.

Beim Totstellen ist die Entsprechung die sogenannte Hypervigilanz (= erhöhte Wachsamkeit oder Wachheit). Der Totsteller ist ja keineswegs tot. Er beobachtet seine Umwelt intensiv darauf, ob sich die Bedrohung realisiert, damit er rechtzeitig auf Flucht oder Kampf umschalten kann.

Ich hatte z.B. jahrelang Herzklopfen, wenn jemand an meiner Türe geklingelt hat. Es hätten ja auch Polizisten mit einem Durchsuchungsbefehl oder ein Sondereinsatzkommando sein können. Logisch war das nicht wirklich. Aber Angst entsteht nun einmal nicht in den Gehirnarealen, die mit logischem Denken assoziiert sind. Selbst wenn man sie gedanklich zurückweist, kann man sich ihr trotzdem kaum entziehen.

Die übertrieben erhöhte Wachsamkeit in Verbindung mit meinem jahrelangen erzwungenen Totstellen hat mich belastet und auch erschöpft, zumal dem Totstellen auch ein Element der Hilflosigkeit innewohnt. Flucht und Kampf sind aktive Reaktionen. Totstellen ist die Hoffnung, dass die Gefahr von alleine vorübergeht.

Nur: Totstellen hält man auf Dauer nicht aus. Wenn man einem Raubtier begegnet und sich tot stellt, ist die Situation irgendwann vorbei. Man wurde gefressen oder das Raubtier ist weitergezogen. Die Gefahr des sozialen Todes geht bei Pädophilie nie vorbei.

Langfristig hat mir das Totstellen auch nicht gut getan. Es führte zu einem sich im Laufe der Zeit verstärkenden Gefühl der Hilflosigkeit und des Ausgeliefertseins. Irgendwann habe ich bemerkt, dass ich mit der Dauerbelastung des anhaltenden sozialen Stresses bei gleichzeitiger gefühlter Hilflosigkeit immer schlechter klargekommen bin.

Wenn jemand in seiner Mobilität eingeschränkt ist (z.B. bettlägrige Menschen oder Rollstuhlfahrer), kommt es bei längerer Druckbelastung zu Hautgeschwüren. Ich denke, dass sich das auf seelische Befindlichkeiten übertragen lässt. Ständiger seelischer Druck führt langfristig, auch wenn er zunächst aushaltbar ist, zu seelischen Wunden. Zur Vermeidung dieser Folge braucht es Entlastung, Bewegung oder ein Umlagern.

Mich hat z.B. erheblich entlastet, dass ich bei meinem Outing innerhalb meiner Kernfamilie von niemandem verstoßen wurde. Der soziale Tod innerhalb der Kernfamilie ist dauerhaft abgewendet. Das hat den Druck erheblich reduziert, aber nicht auf Null abgesenkt. Die Gesellschaft hasst Pädophile ja weiterhin. Jenseits der Kernfamilie droht mir der soziale Tod nach wie vor.

Auch die Möglichkeit, mich in einem Selbsthilfe-Foren mit anderen Betroffenen auszutauschen, hat mir in der Vergangenheit sehr geholfen. Unter Gleichfühlenden ist die Notwendigkeit sich „totzustellen“ aufgehoben. Das entlastet erheblich.

Der Start meines Blogs und die Rückkehr auf eines dieser Selbsthilfe-Foren wurde für mich notwendig, weil ich bemerkt habe, dass ich mich im Erschöpfungsstadium befand. Der Druck und die Belastung sind unmerklich wieder anstiegen und hatten ein nur noch schwer aushaltbares Niveau erreicht.

Insbesondere der Blog und meine Aktivität als Schneeprinz auf gutefrage.net ist dabei aber auch ein Strategie-Wechsel von Totstellen auf Kampf.

Ich zeige mich hier anderen so, wie ich bin. Ohne Rücksicht auf mich selbst oder auf andere, die sich vielleicht durch irgend einen Aspekt des Ganzen abgestoßen fühlen mögen.

Ich möchte authentisch sein und deshalb auch nichts beschönigen oder verleugnen, was evtl. von anderen als problematisch empfunden werden könnte, z.B.

Ich stelle die Wirklichkeit so korrekt und vollständig dar, wie ich es vermag und hoffe, damit bei dem ein oder anderen Normalliebenden zu einer Korrektur des Zerrbildes vom Pädophilen als Kinderschänder beizutragen.

Vielleicht kann die Stigmatisierung und Ächtung von Pädophilen so zumindest abgeschwächt werden. Aber selbst wenn die von mir erhoffte Wirkung ausbleibt: wenn ich schon verachtet werde, dann doch bitte wenigstens für das, was ich bin, statt für das falsche Bild eines Monsters, wie es von Pädophilen so oft gezeichnet wird.

Der Kampf scheint mir zwar im Grunde aussichtslos – es ist nicht vorstellbar, dass sich zu meinen Lebzeiten etwas Grundlegendes an der Ächtung von Pädophilen ändert. Aber punktuelle Erfolge sind durchaus möglich und der Kampf gegen die Stigmatisierung verringert das Gefühl der Hilflosigkeit.

Es ist gut möglich (und sogar wahrscheinlich), dass ich den Kampf irgendwann wieder aufgebe bzw. vorübergehend einstelle. Dass kann passieren, wenn sich der Verfolgungsdruck erhöht (z.B. wenn das Vertreten „Pädophilie verharmlosender“ Ansichten irgendwann strafbar werden sollte) oder wenn sich meine emotionale Belastung soweit verflüchtigt hat, dass der Druck versiegt – und mit ihm meine Worte.

Tatsächlich ist der Druck zwar nicht verschwunden aber wieder deutlich zurückgegangen. Meine Selbstbehandlungsstrategie war also bereits erfolgreich. Trotzdem gibt es den Blog noch.

Möglicherweise ein Hinweis darauf, dass ich in einer Bedrohungsituation nach Prägung und Charakter eigentlich eher zu einer Kampfreaktion neige.

„Ich verlange, dass dieser Staat mich akzeptiert“

Dieses Zitat stammt nicht von mir.

Es ist eine kämpferische Aussage von Tessa Ganserer (früher Markus Ganserer) einer Transfrau im Bayrischen Landtag. Frau Ganserer wird im Spiegel mit dem Satz zitiert:

Ich werde nicht einen Richter darüber entscheiden lassen, ob ich der Mensch sein darf, der ich bin. Ich möchte meine Menschenwürde behalten dürfen, und ich verlange von diesem Staat, dass er mich akzeptiert.

Sachlich gibt es dabei um die Bestimmung des Transsexuellen-Gesetzes, dass Frau Ganserer als Menschenrechtsverletzung emfindet. Sie will nicht hinnehmen, dass es für eine Änderung des offiziellen Geschlechtseintrags nötig ist, sich von zwei Ärzten bescheinigen zu lassen, dass er oder sie tatsächlich transsexuell ist.

Ein anders kritisiertes Übel: um aufwendigere Behandlungen von der Krankenkasse finanziert zu bekommen, muss Frau Ganserer zwölf Monate lang eine Psychotherapie machen. Nur dann bekommen Transpersonen zum Beispiel eine Hormonbehandlung oder können ihren Bart weglasern lassen.

Das findet Frau Ganserer unhaltbar: „Ich nehme einem Menschen, der dringend eine Psychotherapie bräuchte, den Therapieplatz weg.“ Dennoch sei sie auf die Behandlungen und damit auch auf die Therapie angewiesen: „Ich kann meinen Bart ja nicht wegmeditieren.“

Ich habe damit ehrlich gesagt gewisse Probleme.

Mich stört mein Bart auch eher, als dass ich ihn als positiv empfinde. Auch ich kann ihn nicht wegmeditieren. Man kann ihn aber rasieren und wohl auch Enthaarungscreme verwenden. Warum soll das unzumutbar sein?

Es gibt auch Frauen, die als Frauen geboren wurden, und trotzdem ein Problem mit zu viel Gesichtsbehaarung oder im späteren Leben mit einer Glatzenbildung haben. Ist das bereits gegen die Menschenwürde der Betroffenen? Von den Krankenkassen bezahlt wird es, wenn es sich um eine ästethische Manahme handelt, jedenfallls nicht. („Die rein ästhetische Behandlung eines Damenbarts mittels Laser, Cremes oder Waxing stellt für die Krankenkasse keinen Grund für eine Kostenübernahme dar.“ – Artikel auf Zavamed.com)

Die Psychotheraie ist also sowohl für einen Frau als auch für einen Transsexuellen notwendige Voraussetzung, um eine medizinische Notwendigkeit für die dauerhafte Bartentfernung per Laser zu begründen. Es ist aber keine Diskriminierung, wenn an Frau Ganserer die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an andere Frauen.

Wenn sie statt auf eine automatische Kostenübernahme bei Transsexuellen auf eine Kostenübernahme bei allen von Bartwuchs betroffenen Frauen drigen würde, könnte sie vermutlich vielen Frauen helfen. Aber würde damit natürlich auch die solidarisch finanzierten Krankenkassen belasten. Ob das angemessen ist oder nicht, müssen glücklicherweise andere entscheiden.

Frau Ganserer darf als ehemaliger Mann auf die Straße gehen und ihrem Beruf ausüben. Sie wird von vielen anerkannt und unterstützt, von anderen zumindest toleriert oder wenigstens ignoriert. Vor allem anderen wird sie durch umfassende und vielfältige Antidiskriminierungsgesetze geschützt.

Sie hatte es sicher nicht immer leicht, vermutlich oft sogar sehr schwer auf ihrem Weg zu innerer Akzeptanz und mit dem ersten Kraftakt, sich zu outen. Aber es passiert viel, um sie zu schützen und es wird auch viel Geld ausgegeben, um sie zu unterstützen.

Ich kann weder in dem Erfordernis zweier ärtzlicher Bescheinigungen für eine Passänderung, noch in der gefühlt zu schwierigen Qualifizierung für eine Entfernung der Gesichtsbehaarung mittels Laser eine Diskriminierung oder einen Menschenrechtsverstoß ausmachen.

Insbesondere eine Bartentfernung scheint mir eher ein „Privatvergnügen“ zu sein. Eine Landtagsabgeordnete sollte sich das von ihren Bezüge auch finanzieren können. Wer sich eine Behandlung nicht leisten kann, kann sich evtl. statt mit einem Anspruch an den Staat auch mit einer Bitte an Verwandte oder an Hilfsorganisationen wenden.

Aus meiner Sicht – die als nicht unmittelbar Betroffener vielleicht nicht perfekt sein mag, die sich aber um andere Perspektiven und einen kritischen Blick für Missstände und persönliche Not bemüht – darf Frau Ganserer der Mensch sein, der sie ist. Der Staat akzeptiert sie. Er fördert sie vielleicht nicht in allen Belangen so, wie sie es gerne hätte. Das scheint es aber auch schon zu sein.

Bei mir ist das anders. Ich darf nicht der Mensch sein, der ich bin.

Das Schwerste: ich darf nicht lieben, wen ich möchte, auch dann nicht, wenn der von meiner Liebe Betroffene mich zurück liebt. Ausnahmen für Liebesbeziehungen sind schlicht nicht vorgesehen, selbst dann nicht, wenn sowohl Staatsanwaltschaft als auch Richter von ihnen ausgehen.

Ausweichversuche zur sexuellen Ersatzbefriedigung, ohne dadurch einen anderen Menschen unmittelbar zu beeinträchtigen, wie der Besitz von Pornographie sind umfassend kriminalisiert:

Seit 1993 steht der Besitz von realer Kinderpornographie unter Strafe, seit 1997 der Besitz von „wirklichkeitsnaher“ Kinderpornographie. 2008 kam die Aufwertung zu einer „schweren Straftat“, 2015 die Neuinterpretation von Posing-Bildern als Kinderpornographie, der neue Tatbestand der Jugendpornographie und die Lex Edathy (entgeltliches Erwerben von Darstellungen nackter Personen unter 18 Jahren).

Für viele Betroffene wäre der Besitz etwa von virtueller Kinderpornographie (Texten, Zeichungen, Computeranimationen, an der kein Kind mitgewirkt hat), oder der Besitz von Posing-Bildern (Bilder, die in der Regel unterhalb der Schwelle dessen liegen, was man etwa von einem Erotik-Kalender kennt) ein Notprogramm, um trotz gewaltiger Einschränkungen bei realen Kontakten, ein noch einigermaßen erträgliches Sexualleben zu haben.

Dieses Notprogramm ist unter hohen Strafandrohungen verboten.

Jenseits der bisherigen Grenzen der Kriminalisierung wird mit Dämonisierung von Pädos bereits für die nächsten Strafverschärfungen geworben. Auch normale Kinderfotos sollen Pädophile nicht besitzen dürfen. Die WDR Doku „Kinderfotos im Netz: gepostet, geklaut, missbraucht“ problematisiert etwa „das perfide System des Foto-Diebstahls und zeigt, wie schutzlos Kinder im Netz Beute von Pädophilen werden“.

Wenn ich mich outen würde, würde ich vermutlich körperlich angegriffen werden. Kein Pädophiler kann sich öffentlich outen und seiner körperlichen Unversehrheit noch sicher sein. Menschen, die für pädophil gehalten werden, werden krankenhausreif geschlagen oder gar lebensgefährlich verletzt. Auch Morde hat es bereits gegeben. Andere treibt die Bloßstellung als Pädo in den Suizid.

Gegen die hetzerische Darstellung von Pädophilen als Kinderschänder, die für diesen Hass und diese Gewalt verantwortlich ist, tut der Staat nichts.

Er befördert sie sogar noch – durch dediziert anti-pädophile Reportagen („Kinderfotos im Netz: gepostet, geklaut, missbraucht“), Unterhaltungssendungen und Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Medien oder durch die Agitation seiner politischen Vertreter, was zum Beispiel Ausdruck im aktuellen Koalitionsvertrag der 19. Wahlperiode gefunden hat, wo es heißt, man wollte „die Effektivität der Strafverfolgung pädophiler Täter, die im Netz Jagd auf Kinder machen, erhöhen“. Das Wort „pädophil“ ist dabei sachlich zweckfrei. Geht es darum, Kinder zu schützen, braucht man es nicht. Dann geht es um Kindesmissbrauch, nicht um Pädophilie.

Auf der Webseite des Bundesministerins für Gesundheit kann man unter der Überschrift „Es ist ok, so wie du bist.“ lesen, dass Therapien zur „Heilung“ von Homosexualität künftig verboten werden sollen. Unter dem Stichwort: „Warum sind sog. Konversionstherapien gefährlich?“ erfährt man:

Keine der bekannten Studien lässt den Schluss zu, dass die sexuelle Orientierung dauerhaft verändert werden kann. Wissenschaftlich nachgewiesen sind aber schwerwiegende gesundheitliche Schäden durch solche „Therapien“ wie Depressionen, Angsterkrankungen, Verlust sexueller Gefühle und ein erhöhtes Suizidrisiko. Nachgewiesen sind zudem Stigmatisierungs- und Diskriminierungseffekte auf Dritte in Form von Minderheitenstress.

Liest man weiter, dann stellt sich allerdings heraus, dass das Verbot nicht für Behandlungen bei Störungen der Sexualpräferenz (z.B. Exhibitionismus, Pädophilie) gilt.

Ich halte meine sexuelle Präferenz nicht für eine Störung, sondern für eine Orientierung. Wenn sich andere von ihr gestört fühlen, macht sie das noch nicht zu einer Störung. Sie verhält sich in jeder Hinsicht wie eine sexuelle Orientierung und die Dauerhaftigkeit und Unveränderbarkeit einer Pädophilie (oder Päderastie) ist längst anerkannt. Den Hinweis darauf, dass auch Homosexualität lange als Störung oder Krankheit galt, würde ich vielleicht löschen, wenn ich ihn mir verkneifen könnte. Kann ich aber nicht.

Vor den beschriebenen negativen Auswirkungen einer Konversionstherapie soll ich also ausdrücklich nicht geschützt werden.

Ein „Es ist OK, so wie du bist“ gilt aus Sicht des Staates nur für andere, nicht für mich.

Wenn ich sehe, wie unendlich weit Homosexuelle, Lesben und Transsexuelle heute gekommen sind und wo ich selbst stehe, wird mir ganz anders. Meistens gönne ich ihnen das Erreichte. Manchmal, so viel Ehrlichkeit lasse ich zu, bin ich neidisch. Aber auch in meinen neidischsten Momenten habe ich nichts dagegen, wenn dort weitere Fortschritte gelingen.

Die Klagen von Frau Ganserer wirken auf mich dennoch wie ein Jammern auf unendlich hohem Niveau von jemanden, der es vielleicht auch noch schwer hatte und manchmal schwer hat, der aber im Vergleich zu mir in einer unglaublich privilegierten Situation ist.

Traurig macht mich, dass es anscheinend nicht einmal Homosexuelle, Lesben und Transsexuelle gibt, die meinen, dass sich für mich etwas positiv verändern sollte.

Oder einfach, dass es OK ist, wie ich bin.

Ein Jahr Paedoseite

WordPress hat mich am Dienstag (18.02.) auf den ersten Geburtstag meines Blogs hingewiesen. Ich denke, das ist durchaus ein geeigneter Anlass, um einmal zurück zu blicken.

Im ersten Jahr sind 292 Beiträge im meinem Blog erschienen. Es gab 26.090 Aufrufe von 16.990 Besuchern und 79 Kommentare.

Findet ein Besucher über eine bestimmte Seite zum Blog, dann sieht man das in der Statistik als „Referrer“. 11.134 mal war der Referrer die Seite von Boylinks, 2.290 mal kam der Besuch von „Suchmaschinen“ (also Ergebnissen von Suchen bei Google, Bing, Duckduckgo oder Ecosia). 296 Besuche kamen von krumme13.org und 264 vom Jungsforum.

Ich finde, das sind tolle Zahlen.

Die Besuche des Blogs haben allerdings seit August 2019 (also nach dem ersten halben Jahr) stark nachgelassen, was offensichtlich daran liegt, dass meine Seite nicht mehr „neu“ ist und deshalb in Boylinks aktuell weniger weit oben verlinkt ist. Irgendwann im August 2019 wurde der Link dort umsortiert, wird seitdem weniger oft gefunden und angeklickt. Das hat sofort auf die Besucherzahlen durchgeschlagen.

Kamen im Juli 2019 noch 1.984 Besuche über Boylinks, waren es im Januar 2020 nur noch 123. Da kann es nicht überraschen, dass auch die Aufrufe pro Monat insgesamt scharf zurückgegangen sind, von 4.170 im Juli 2019 auf 1.027 im Januar 2020. Die Aufrufe über „Suchmaschinen“ haben demgegenüber etwas zugelegt, von 217 (August 2019) auf 344 (Januar 2020). Das ist für sich genommen eine richtig schöne Entwicklung, kann aber den Wegbruch der Besuche von Boylinks nicht annähernd ausgleichen.

1.000 Besuche im Monat sind immer noch richtig toll, aber als Blogschreiber kann man von Besuchen nie genug bekommen und wenn man von 4.000 Besuchen im Monat kommt, ist 1.000 gefühlt erstmal ein deutlicher Rückschritt. Dass die gute Verlinkung bei Boylinks irgendwann (bzw. jederzeit) verschwinden könnte, war mir aber schon zu Beginn bewusst und hat sicherlich auch zu einer besonders starken Aktivität in den ersten Monaten beigetragen. Es galt die ungewiss lange aber begrenzte Zeit, in der man den Blog unter verbesserten Bedingungen bekannt machen kann, gut zu nutzen. Ich glaube, das ist mir ganz ordentlich gelungen.

Wer selbst einen Blog oder eine Webseite zum Thema aufmachen will, sollte sich der Sonderstellung von Boylinks für das Gefunden-Werden bewusst sein, dafür sorgen, dass er dort verlinkt wird (z.B. über eine Mail an submissions@boylinks.net) und die Zeit dann gut nutzen.

Ich bin mir sicher, dass es im zweiten Jahr nicht annähernd 292 Blogbeiträge geben wird. Ausgeschrieben habe ich mich zwar noch nicht, aber zu vielen Themen habe ich bereits – meist recht umfangreich und gründlich – Stellung bezogen. Das bringt die Gefahr mit sich, sich zu wiederholen. Wenn man von der jährlichen Dosis „Dinner for One“ einmal absieht, genießt es das Publikum in aller Regel nicht, ständig die gleichen Geschichten erzählt bekommen.

Hinzu kommt, dass der Drang mich mitzuteilen zu Beginn auch größer war als heute. Es hatte sich etwas aufgestaut, das ich mit den Beiträgen abbauen konnte. Das „Ablassen“ meiner Worte und Beiträge hat den inneren Druck reduziert und mir gut getan, aber mit abnehmendem Druck sprudeln die Quellen eben auch nicht mehr ganz so frisch wie noch zu Beginn.

Es werden also vermutlich weniger Worte werden. Ausgeschrieben habe ich mich aber wie gesagt nicht. Es gibt noch eine ganze Reihe von Themen, zu denen ich mir schon ein paar kleine Notizen gemacht habe und zahlreiche hingekritzelte Gedankensplitter, die nur darauf warten, zu einem richtigen Blogartikel heranzuwachsen. Auch aktuelle Geschehnisse geben immer wieder Anlass zu neuen Worten.

Zum Schluss (dieses Artikels) bedanke mich sehr herzlich bei allen Lesern des Blogs. Ich freue mich über eure Besuche und Kommentare. Sehr!

Ich hoffe, dass ihr mir auch in Zukunft gewogen bleibt.

Lieben Gruß,
Schneeschnuppe

Die hinreichend gute Mutter

Ich bin vor einiger Zeit über das Konzept der hinreichend guten Mutter gestolpert. Erfinder ist Donald Winnicott, ein 1886 geborener englischer Kinderarzt und Psychoanalytiker, der 1971 verstorben ist. Das Konzept ist also keineswegs brandneu.

Aus dem Wikipedia-Artikel zu Donald Winnicott:

In den ersten Monaten ist ein Neugeborenes mit seiner Mutter zu einer Einheit verschmolzen; das Baby nimmt die Mutter als Teil von sich selbst wahr. Dabei geht Winnicott nicht von einer idealisierten Mutter aus, die durch Abweichungen vom Ideal psychoanalytischer Theorien ihr Kind schädigt, sondern führt den Begriff der ausreichend guten Mutter in die Terminologie der Psychoanalyse ein. Die „ausreichend gute Mutter“ („good enough mother“) ist in der Lage, auf die Bedürfnisse des Babys einzugehen, zumindest so weit, dass sich das Baby nie komplett verlassen fühlt. Mit der Zeit löst sich die Mutter aus dieser engen Verbindung, so dass das Kind lernen kann, dass die Mutter nicht Teil von ihm ist.

In diesem Prozess spielt das Übergangsobjekt eine wichtige Rolle. Das kann zum Beispiel der Zipfel einer Decke sein, den das Baby benutzt, um sich in Abwesenheit der Mutter zu trösten. Es gehört für das Kind sowohl zur Mutter als auch zur realen Welt.

Ist die Mutter nicht ausreichend gut, kommt es zur emotionalen Deprivation, was bedeutet, dass das Bild der Mutter im Baby stirbt. Die Deprivation ist eine wichtige Voraussetzung für antisoziales Verhalten, beispielsweise Stehlen, von Kindern. Durch dieses Verhalten versucht das Kind seinen Mangel auszugleichen. Es ist jedoch für den Betreuer wichtig zu wissen, dass dieses antisoziale Verhalten ein Zeichen der Hoffnung des Kindes ist. Ein depriviertes Kind, das keine Hoffnung hat, wird sich scheinbar angepasst verhalten und erst, wenn es wieder Hoffnung hat, wird es antisoziales Verhalten zeigen, also versuchen, seinen Mangel auszugleichen.

Aus einem Artikel bei geborgen-wachsen.de:

Winnicott entdeckte bereits, dass „zu gute Mütter“ (too good mothers) keinesfalls das sind, was Kinder benötigen. Während das Baby am Anfang des Lebens mit seiner Mutter noch ganz verschmolzen und symbiotisch ist und Mütter bestenfalls prompt auf seine Bedürfnisse reagieren, brauchen Babys für ihre Entwicklung jedoch zunehmend auch ein gewisses Maß an Unzufriedenheit für ihre Entwicklung. Winnicott entdeckte, dass Mütter zunehmend weniger und weniger perfekt auf ihr Kind eingehen – und dies parallel zu den wachsenden Fähigkeiten des Kindes, damit umgehen zu können. Das bedeutet: Anfangs reagieren Mütter bestenfalls prompt und richtig auf das Baby. Mit der Zeit reagieren sie aber weniger schnell und lassen das Baby auch mal ein wenig quengeln, wenn es nicht an das Spielzeug heran kommt. Und dies hat eine ganz wichtige Bedeutung für die Entwicklung des Kindes: Es lernt nämlich dadurch, dass Bedürfnisse nicht sofort erfüllt werden müssen, sondern auch etwas aufgeschoben werden können. Hierdurch kann es auch lernen, sich selbst zu regulieren, weil es eigene Beruhigungsstrategien findet. Das Baby erfährt, wie man mit negativen Gefühlen umgehen kann. Auch kann es hierdurch zur weiteren Entwicklung angeregt werden: Wer sofort alles gereicht bekommt, wenn er etwas quengelt ist nicht darauf angewiesen, sich selbst zu bewegen. Ein gewisses Maß an Unzufriedenheit ist also durchaus als Motor der Entwicklung zu betrachten. Umgekehrt wird einem Baby, dem jeder Wunsch schon von vornherein „von den Augen abgelesen wird“, um die Fähigkeit gebracht, sich selbst zu verstehen. Es lernt keine Selbstwirksamkeit, weil es nicht erfahren kann, dass es sich auch selbst helfen kann und darf. Winnicott findet daher, dass die „good enough mother“ der „too good mother“ gegenüber vorzuziehen ist. Wir müssen also nicht Supermütter sein, sondern einfach nur hinreichend gut!

Doch nicht nur Beruhigungsstrategien und Selbstwirksamkeit lernt das Kind, wenn es im passenden Alter nicht sofort bespielt oder abgelenkt wird, sondern noch etwas ganz anderes Wichtiges: Wenn Mütter einfach normal und sie selbst sind und auch mal schlechte Laune haben oder angespannt sind, weil der Nachwuchs beim Essen das Glas zum dritten Mal über den Tisch gekippt hat, kann das Kind die verschiedenen Facetten von Beziehungen kennenlernen. Jede Beziehung besteht nicht nur aus einem einzigen Gefühl, keine Beziehung ist immer nur freudig und positiv. Kinder müssen auch erfahren dürfen, dass es in Beziehungen verschiedene Gefühle gibt, dass man andere auch mal negativ empfinden kann und sich dann wieder annähert. Wieder vertragen, zusammenfinden, Kompromisse eingehen – all das wird schon in der Babyzeit gelernt. Das ist es, was im Erwachsenenleben so wichtig ist und ein Miteinander erst ermöglicht. Niemand möchte einen Partner haben, auf den man immer selber nur eingehen muss und der nie einen Schritt in die Richtung des anderen geht, weil er es nie gelernt hat. (…)

Kinder brauchen auch Unstimmigkeiten, sie dürfen an Problemen und Herausforderungen wachsen lernen, erfahren, wie man mit Konflikten umgeht und sich wieder verträgt. Und wir Eltern dürfen ihnen auch vorleben, dass sich unser ganzes Leben nicht nur um die Kinder dreht, sondern wir auch eigene Interessen und Wünsche haben.
Wir alle wünschen uns das Beste für unsere Kinder und wir geben das Beste für sie, das wir können. Wir gehen aber auch arbeiten, brauchen auch eigene Freunde. Manchmal reicht das Geld nicht, um teure „Frühförderkurse“ zu bezahlen oder die Zeit ist einfach nicht da. Wenn wir wieder einmal ein schlechtes Gewissen haben, können wir – anstatt uns zu grämen und Vorwürfe zu machen – einfach daran denken, dass wir nicht perfekt sein müssen. Ja, das wir es gar nicht sein SOLLEN. Eine „Supermutter“ braucht kein Kind für eine gesunde Entwicklung. Wir sind gut, ausreichend gut, und wir denken darüber nach, dass wir manchmal auch anders könnten und tun das auch, wenn es möglich ist. Und das ist alles, was zählt.

Dem ist wenig hinzuzufügen.

Mütter sind Menschen und Menschen sind nicht perfekt. Zum Glück. Denn Kinder sind ja auch Menschen und deshalb ebenfalls nicht perfekt.

Perfektion mag gut gemeint sein, ist aber eine riesige Last, nicht nur für einen selbst, weil man um die Perfektion kämpfen und sie sich abringen muss, sondern auch für den vermeintlich Begünstigten. Das Kind einer perfekten Mutter könnte nämlich niemals ausreichend gut sein. Ausreichend gut hieße schließlich, dem Vorbild zu entsprechen und ebenfalls perfekt zu sein.

Wer sich stets um Perfektion bemüht, wird an diesem Anspruch scheitern. Wer immer wieder scheitert, erodiert innerlich, wird unglücklich und infiziert auch seine Umwelt mit dem eigenen Unglücklich-Sein. Statt perfekt und glücklich wird das Leben dann anstrengend und unglücklich.

Ein zu hoher Anspruch gegenüber sich selbst macht auch tendenziell intolerant, da an andere in der Regel ein ähnlich hoher Maßstab angelegt wird, wie an sich selbst: wer hart gegen sich selbst ist, ist meist auch anderen gegenüber hart. Wer sich dagegen zugesteht, auch mal zu scheitern, kann auch weichherzig und verständnisvoll für das Scheitern anderer sein.

Schließlich: auch Fehler haben ihr Gutes. Die Unvollkommenheit einer hinreichend guten Mutter ist wichtig und bereitet auf die Unzulänglichkeiten des Lebens im Allgemeinen vor. Man kann niemanden für das Leben stark machen, indem man ihn vor sämtlichen Belastungen abschirmt, wie sie einem im echten Leben nun einmal zwangsläufig in den unterschiedlichsten Ausprägungen begegnen werden.

Der hinreichend gute Freund

Da die Welt nicht nur aus Müttern besteht, gibt es nicht nur die hinreichend gute Mutter, sondern auch den hinreichend guten Vater, den hinreichend guten Sohn, den hinreichend guten Partner oder den hinreichend guten Freund.

In einer Beziehung ist es nicht wichtig, dass man stets alles richtig macht, sondern, dass man sich engagiert, interessiert und dass der andere Mensch einem ein wirkliches Anliegen ist. Wenn das so ist, macht man fast zwangsläufig genug richtig, dass die Fehler, die man zwangsläufig auch macht, verkraftbar bleiben.

Ich denke das Konzept ist ohne weiteres auch auf BLs wie mich übertragbar und ich finde es ermutigend. Es bietet einen Gegenpol zu allzu übertriebenen Bedenken und erlaubt mir, legitim darauf zu hoffen, dass ich einem Jungen irgendwann einmal ein hinreichend guter Freund sein werde. Jemand, der für den jungen Menschen, den er liebt, einfach sein bestes gibt und dadurch – trotz all seiner Mängel – „gut genug“ ist.

Lil‘ Chris … und das Thema Suizid

Ich habe mal wieder nach einem netten Musikclip für meinen Blog gesucht und wurde auch prompt fündig: „Checkin‘ It Out“ von Lil‘ Chris.

Ich wollte – wie ich das so zu machen pflege – auch ein wenig zum Sänger schreiben. Also Internetrecherche …

Christopher James Hardman, mit Künstlername Lil‘ Chris, war 15 als er bekannt wurde. Er hatte in der zweiten (und letzten) Staffel der britischen Reality TV Serie Rock School mitgespielt, in der Gene Simmons (Bassist und Sänger der Hard-Rock-Band Kiss) Schüler zu einer Rock Band formt. Zum Abschluss performte die Schülerband dann auf einem Live Konzert als Vorband von Judas Priest, Rob Zombie und Anthrax.

Unmittelbar nach dem Konzert erhielt Chris einen Plattenvertrag als Solo-Künstler. Seine Debüt Single „Checkin‘ It Out“ erreichte 2006 Platz drei der britischen Charts. Sein Debut-Album „What’s It All About“ erschien 2008. Er tourte, spielte eine Hauptrolle in einem Musical, trat im Fernsehen als Moderator und Schauspieler auf. Kurz: er war Star geworden.

Im Oktober 2013 kündigte Chris sein zweites Album an. Die erste vorab veröffentlichte Single wurde aber ein Fehlschlag und konnte sich nicht in den Charts platzieren.

Chris schrieb weiter an Songs und arbeitete mit einem Produzenten an einer geplanten EP, er fiel aber wegen des Karriereknicks in ein Loch und litt unter Depressionen. Im April 2014 schrieb er auf Twitter: „Ich hoffe, eines Tages einen Ausweg aus der Depression zu finden, der nicht bedeutet, mir das Leben zu nehmen. Die Heilung.“

Im Oktober 2014: „Depression ist wirklich scheiße. Zu lernen, wie man sie erkennt, kann manchmal Leben und deine Gefühle retten. Nimm dir Zeit sie zu verstehen. Für alle.“ Am 03. März 2015: „Denke darüber nach für immer mit der Musik aufzuhören … es muss irgendwann die Zeit kommen, dass ich mich der Realität stellen muss. Ich bin einfach nicht gut genug.“

Am 23. März 2015 hat er sich erhängt. Er wurde 24 Jahre alt.

Ich schreibe viel lieber über Erfolge oder die Aussicht auf eine große Zukunft für den jungen Interpreten. Aber die Realität ist nicht immer, wie man sie sich wünscht. Wie das Leben im Allgemeinen geht auch das Leben eines Musikers nicht immer gut. Mir scheint, sie haben Chancen auf besonders intensive, rauschhafte Glücksmomente, sind aber auch anfällig, wenn es schlecht läuft.

Hat die Musik Lil‘ Chris auf dem Gewissen? Wie es ihm ohne seine Musik ergangen wäre, kann man nicht wissen. Es macht mich traurig, dass er keinen Ausweg gesehen hat und diesen Weg wählte.

Autobiographisches

Ich habe auch selbst einige Jahre lang jeden Tag an Suizid gedacht.

Wenn ich auf dem Weg zur Schule an einem Kirchturm vorbeikam, stellte ich mir vor, wie es wäre, von dort in den Tod zu stürzen. Oder auf dem Randstein eines Bürgersteigs zu balancieren, um ‚versehentlich‘ in ein entgegenkommendes Auto zu stürzen.

Ich weiß nicht wirklich, ob es am Ende vor allem der Selbsterhaltungstrieb war, der mich davor bewahrt hat. Es spielte wohl auch eine Rolle, dass ich meine Familie nicht verletzen wollte und auch keinem Autofahrer das Trauma zumuten wollte, jemanden zu überfahren oder einem Spaziergänger, dass jemand neben ihm auf den Bürgersteig knallt und vor seinen Füßen zerplatzt. Ich finde, dass man das niemandem zumuten sollte, schon nicht Fremden aber erst recht nicht den Menschen, die man liebt.

Für mein Unglück und meinen Todeswunsch gab es mehrere miteinander verbundene Gründe.

Ich war damals unglücklich verliebt und habe mich nicht getraut, den Jungen auch nur anzusprechen. Verliebt sein ist wie eine temporäre Geisteskrankheit, die aber glücklich macht. Unglücklich verliebt sein, bedeutet, Tantalusqualen zu erleiden. In der Sage verbannten die Götter Tantalos in die Hölle und peinigten ihn dort mit ewigen Qualen, den sprichwörtlich gewordenen „Tantalosqualen“. Früchte und Wasser sind ihm greifbar nah, bleiben aber unerreichbar. So wie bei meiner unglücklichen Liebe, der Junge, den ich sehen konnte und nach dem ich mich aus der Ferne verzehrte.

Bei Tantalos gesellte sich zu Hunger und Durst die ständige Angst um sein Leben, da über Tantalos’ Haupt ein mächtiger Felsbrocken schwebte, der jeden Moment herabzustürzen und ihn zu erschlagen drohte. Der Felsblock, der mich zu erschlagen drohte, war die Furcht vor der Entdeckung meiner sexuellen Orientierung. Härter als die allgemeine Verachtung der Gesellschaft für Pädophile war die Angst, von Menschen, die ich liebe, nicht mehr geliebt zu werden, wenn sie erfahren, wer ich wirklich bin.

Schließlich war da noch die Trauer um eine Zukunft, die ich verloren hatte. Ein gemeinsames Leben mit einem Partner, eine Heirat, Kinder. Es gibt natürlich auch Pädos, die verheiratet sind. Für mich kam das aber nicht in Frage. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass so etwas glücklich endet und wäre nicht bereit gewesen, mir selbst und einer Frau so etwas zuzumuten.

Warum lebe ich noch?

Unmittelbar liegt es wohl am Selbsterhaltungstrieb und daran, dass ich meinen Tod niemand anderem zumuten wollte.

Aber ich habe die Selbstmordgedanken auch irgendwann überwunden.

Ich habe mich etwas stabilisiert, als ich die Schule beendet habe und den Jungen, in den ich mich aus der Ferne verliebt hatte, nicht mehr täglich sehen musste. Die Qualen unerfüllter Liebe gehen nämlich langsam zurück, wenn man den Menschen, in den man sich verknallt hat, lange genug nicht sieht. Ich hatte aber sehr lange Angst davor, mich noch einmal zu verlieben. Natürlich sehne ich mich nach Liebe. Aber ich wollte nicht noch einmal so leiden. Heute ist die Angst stark abgeschwächt. Ganz verschwunden ist sie nicht.

Es half mir als ich im Internet ein englischsprachiges Forum fand, in dem sich Betroffene austauschen können. Das Forum existiert noch heute: Boychat. Es gibt auch andere, auch deutschsprachige Angebote, die man über Boylinks finden kann. Wenn man mit niemandem über seine Gefühle sprechen kann, ist es Balsam auf die Seele, es dann auf einmal doch zu können.

Es tat mir auch gut, als ich das erste mal eine eigene Wohnung hatte und mir dort die Freiheit herausnahm, das Bild es Jungen an die Wand zu hängen. Durchaus mit der Idee es abzunehmen, wenn Besuch kommt. Aber trotzdem war es für mich eine Befreiung, nicht mehr auf meine innersten Gedanken beschränkt zu sein und wenigstens meine eigenen vier Wände für mich erobert zu haben.

Ein sehr großer Stein ist von meinem Herzen gerollt, als ich mich einigen Mitgliedern meiner Familie gegenüber geoutet habe. Der allerengste Familienkreis weiß heute Bescheid – und keiner hat mich verstoßen.

So glücklich muss es nicht immer laufen. Jemandem, der weiß, das die Person, der man sich öffnen möchte, stark homophob ist, würde ich davon abraten sich zu outen. Jedenfalls zumindest so lange man finanziell abhängig ist (also z.B. bis man sein Studium abgeschlossen hat oder einen Beruf ergriffen hat). Und auch sonst ist es eine schwierige Sache. Man kann es ja nicht zurück nehmen.

Es ist ein Sprung in den Abgrund. Aber wenigstens ist es ein Abgrund, bei dem man nicht tot ist, wenn man auf dem Boden aufschlägt. Es gibt eine gute Chance, dass man von den Menschen, die einen lieben, aufgefangen wird. Und wenn einem ein Zentner von der Seele gerollt wird, kann man auf einmal fliegen!

Trotz diesen Dingen, die mir geholfen haben, blieb ich viele Jahre depressiv. Es klatscht nicht einfach jemand in die Hände und die Seele ist geheilt. Ich war ein paar Jahre suizidal, danach stark depressiv und mit der Zeit etwas weniger stark depressiv. Ich habe mich vor allem lange in die Arbeit geflüchtet. Das habe ich inzwischen überwunden. Heute geht es mir meist recht gut. Es gibt immer noch schwarze Momente aber auch genug schöne, die das Leben lebenswert machen.

Was kann man machen, wenn es keinen Ausweg gibt?

Es ist normal, wenn man als Pädophiler schon mal an Selbstmord gedacht hat. Ich würde es sogar etwas merkwürdig finden, wenn man als Pädo noch nie davon betroffen war.

Aber es ist kein Naturgesetz, dass das Leben so verzweifelt bleibt, wie es sich in den dunkelsten Stunden anfühlt. Das Leben als Pädo bleibt schwierig. Aber es ist trotzdem auch immer wieder schön, wenn man ihm eine Chance gibt.

Ich lese relativ viel auf Nachrichtenseiten. Eine davon ist Spiegel Online. Einer der Gründe, warum mir diese Seite sympathisch ist, ist dass bei Artikeln, in denen es um Depression oder Selbstmord geht, stets einen Link zu einer Seite mit Hilfsangeboten gibt.

Hier finden Sie Hilfe in scheinbar ausweglosen Situationen

Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Hier finden Sie – auch anonyme – Hilfsangebote in vermeintlich ausweglosen Lebenslagen. Per Telefon, Chat, E-Mail oder im persönlichen Gespräch.

Wenn Ihre Gedanken kreisen und Sie daran denken, sich das Leben zu nehmen, versuchen Sie, mit anderen Menschen darüber zu sprechen. Das können Freunde oder Verwandte sein, müssen es aber nicht. Es kann für Sie schwer sein, ausgerechnet über dieses Thema mit Menschen zu sprechen, die Ihnen nahe stehen.

Es gibt eine Vielzahl von Hilfsangeboten, bei denen Sie – auch anonym – mit anderen Menschen über Ihre Gedanken sprechen können. Das geht telefonisch, im Chat, per Mail oder persönlich. Wir stellen Ihnen die wichtigsten vor.

[Es folgt eine Liste mit verschiedensten Hilfsangeboten]

Quelle: Suizid-Seite von Spiegel Online

Das Heil auf der anderen Seite der Autobahn

Gedanken über den Sinn des Lebens gibt es wohl, seit es Menschen gibt.

Ich wünsche mir ein erfülltes, sinnvolles Leben. Für mich gehört dazu, dass es mir selbst und den Menschen, die ich liebe (Familie, Freunden) gut geht. Dass ich nützlich bin und etwas Positives beitrage. Es gehört auch dazu, romantisch, sexuell, partnerschaftlich zu lieben und geliebt zu werden. Jemanden glücklich zu machen und jemand zu haben, der mich glücklich macht.

In Teilen ist das möglich, aber bedingt durch meine sexuelle Orientierung, gibt es ein ziemlich großes Loch in meinem Leben, soweit es das Romantische, Sexuelle und Partnerschaftliche angeht. Pädophil oder päderastisch veranlagt zu sein, ist mit enormen Einschränkungen hinsichtlich des Sexual- und Beziehungslebens verbunden.

Ich halte es für ziemlich normal, dass man sich danach sehnt, Sex mit einem anderen, begehrten Menschen zu haben, oder dass man gerne nachts mit jemanden ins Bett gehen möchte, um morgens wieder neben ihm aufzuwachen. Diese völlig normalen Wünsche sind für einen pädophil oder päderastisch veranlagten Menschen quasi-unerreichbar. Das liegt nicht an den Umständen an sich, sondern vor allem an den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

Wer sich noch daran erinnert, wie es war, 12 oder 13 zu sein, wird sich höchst wahrscheinlich daran erinnern, dass er in dem Alter bereits sexuell interessiert war und vielleicht auch konkrete Beziehungswünsche hatte. Schon aus eigener Anschauung, muss es also (eigentlich) für jeden nachvollziehbar sein, dass z.B. pubertierende Jungen durchaus auch an Frauen sexuell interessiert sind und nicht nur an gleichaltrigen Mädchen. Analog sind schwule oder bisexuelle pubertierende Jungen durchaus auch an Männern interessiert und nicht nur an gleichaltrigen Jungen.

Einen interessierten und willigen Partner zu finden, mag zwar nicht einfach sein, aber es erscheint keineswegs unmöglich.

Doch selbst wenn Topf und Deckel magisch zusammenfinden: über jeder Beziehung zwischen einem Mann und einem Jungen schwebt das Damoklesschwert der gesellschaftlichen Ächtung und der strafrechtlichen Verfolgung. Die Beziehung ist darüber hinaus von einem Schweigefluch belastet. Eine Aufdeckung bedeutet das sofortige Ende der Beziehung. Es drohen empfindliche Haftstrafen für den Mann und eine Traumatisierung durch die Reaktion Dritter (Eltern, Polizei, Justiz, Therapeuten) für den Jungen.

In dem Song Be Alright von Dean Lewis kommen die tröstend gemeinten Worte „they can’t steal the love you’re born to find“ vor. Will heißen: „Sie können nicht die Liebe stehen, die zu finden du geboren wurdest.“

Das mag für andere Menschen passen. Für mich fühlt es sich so an, als hätte mir jemand die Liebe gestohlen, die für mich bestimmt war. Der „Dieb“ ist die Gesellschaft, die ihr pauschales Urteil längst gefällt hat, sich für konkrete Fälle nicht interessiert und die jede von der akzeptierten Norm abweichende Liebe hart und unerbittlich verfolgt.

Ich kann mich (wie bisher) fügen und das Leben an mir vorbeiziehen sehen. Und mich immer wieder, vor allem aber am Ende meines Lebens fragen, was hätte sein können. Oder ich kann mich dem Diebstahl verweigern und versuchen die entwendete Chance auf die Liebe zurück zu stehlen.

Aber damit begäbe ich mich in Gefahr und – schlimmer noch – würde auch den anderen, mir noch unbekannten Menschen, den zu lieben ich bestimmt bin, in Gefahr bringen. Mir droht dann bei Aufdeckung langjähriger Freiheitsentzug, dem Jungen eine scharfe, traumatisierende Intervention gegen eine positiv erlebte Beziehung, inklusive Gehirnwäscheversuch, um ihn davon zu überzeugen, dass er Gewalt mit Liebe verwechselt hat.

Ich kann also gefühlt zwischen Pest und Cholera wählen. Ein gescheitertes Leben ohne Liebe oder eine Liebe mit dem erheblichen Risiko eines für die Beteiligten katastrophalen Scheiterns.

Ich kann mich in eigener Verantwortung für mein Leben für das Risiko entscheiden. Aber einen anderen Menschen mittelbar diesem Risiko auszusetzen, wäre unverantwortlich.

Es ist aber auch nicht so, als ob dem Risiko nichts gegenüber stünde.

Meine Liebe ist das Wertvollste, das ich einem anderen Menschen geben kann und etwas Besseres als Liebe, Zuwendung und Aufmerksamkeit kann ein Mensch kaum bekommen.

Wenn ich mich dagegen entscheide, den anderen dem Risiko (der mittelbaren Folgen) meiner Liebe auszusetzen, entziehe ich ihm zugleich auch die Möglichkeit mich und meine Liebe kennen zu lernen und nehme ihm alle Vorteile, die für ihn damit verknüpft wären, von mir geliebt zu werden.

Wenn ich meine Liebe gegen das Risiko in die Waagschale werfe, ist meine Liebe dann genug?

Es ist ja keineswegs so, dass ich perfekt wäre. Ich habe Angst davor, zu versagen und nicht so gut zu sein, wie es der geliebte Mensch verdient und wie ich es sein muss, um vor mir selbst bestehen zu können.

Vielleicht bin ich einmal nicht da, wenn er mich braucht und sich auf mich verlässt. Vielleicht braucht er mich und ich kann ihn nicht retten, weil seine Eltern das letzte Wort haben oder weil ich einfach keine Lösung für seine Probleme finde. Vielleicht verstehe ich ein Signal falsch und es kommt zu einer Berührung, die vom ihm so nicht gewollt war. Vielleicht liebt (und begehrt) er mich noch, wenn er für mich sexuell nicht mehr attraktiv ist und ich verletze ihn, weil ich nicht nicht den richtigen Umgang mit der Situation finde.

Vielleicht läuft ganz viel gut, ich wähne mich in der Sicherheit, dass ich ihm gut tue und er mir gut tut – und dann wird die Beziehung entdeckt und stürzt unser beider Leben in eine Katastrophe, für die ich dann verantwortlich wäre (bzw. mich verantwortlich fühle).

Es gibt aber auch andere Risiken, denen Menschen ausgesetzt sind. Sie beginnen mit der Geburt, bzw. eigentlich schon mit der Zeugung. Das Kind könnte behindert sein, schlechte Eltern erwischen, in Kriegs- oder sonstigen Notzeiten aufwachsen. Auch das entzieht sich im Wesentlichen der Kontrolle, insbesondere der des Kindes. Eine latente Kriegsgefahr gibt es seit Jahrzehnten und die Klimakatastrophe ist in aller Munde. Die Menschheit steuert (vermeintlich) auf den Abgrund zu. Also keine Kinder mehr bekommen?

Es geht auch noch trivialer: wer eine Straße überquert, kann überfahren werden. Also keine Straßen mehr überqueren? Das macht wenig Sinn.

Allerdings kommt mir meine Liebe nicht wie eine gewöhnliche Straße, sondern eher wie eine Autobahn vor. Autobahnen überqueren lässt man besser. Eigentlich.

Aber wenn das Heil auf der anderen Seite einer Autobahn liegt, kann man in Versuchung geraten die Bedingungen zu optimieren, soweit es möglich ist, und es darauf ankommen zu lassen – etwa wie ein scheues Reh bei Nacht oder frech während eines Staus.

Ich schau mir die Autobahn an uns sehne mich auf die andere Seite.

Ich bin ein Bedenkenträger. Aber einer der hofft, dass ihn die Liebe heilt, weil sie blind macht und ihr eine Sekunde reicht, um Jahre an Bedenken hinweg zu wischen.

Lebensluft

Vor kurzem wurde bei Spiegel Online ein Artikel zur Medizingeschichte aus dem Jahr 2009 noch einmal nach oben geschupst und der Leserschaft präsentiert („In der Reihe „einestages-Klassiker“ präsentiert SPIEGEL ONLINE Schätze aus dem einestages-Archiv“). Es ging dabei um eine Erfindung aus dem Jahr 1929, die sogenannte „Eiserne Lunge“. In diesen riesigen Röhren konnten Patienten künstlich beatmet werden. Lediglich der Kopf ragte aus dem Apparat heraus. In der Röhre wurde regelmäßig ein Unterdruck erzeugt, wodurch sich die Lungen füllten und die Patienten mit lebensnotwendiger Luft versorgt wurden. .

Zu den Patienten gehörten Opfer der Kinderlähmung, bei der auch die Lunge befallen sein konnte, was früher sofort tödlich war. Die Lähmung ging später oft zurück, so dass viele Patienten lediglich temporär behandelt werden mussten. Tausende Leben konnten so gerettet werden.

Es gab aber auch Dauerpatienten, die teils Jahrzehnte in einer Eisernen Lunge verbrachten. Wer in einer Eisernen Lunge war, konnte sich nicht waschen, rasieren oder am Kopf kratzen. Die Pflege erfolgte durch seitliche Luken in der Röhre. Ziemlich heftig.

Im Journalismus werden Geschichten regelmäßig mit menschlichen Schicksalen angereichert, um eine Geschichte eindringlich und emotional an den Leser zu bringen. So auch hier.

Die Erzählung des Spiegel beginnt mit einem jungen, reichen Touristen auf Weltreise, der in Peking im Alter von 25 von der Kinderlähmung befallen wird und nur aufgrund der zufällig verfügbaren Eisernen Lunge gerettet werden konnte. Da seine Lunge gelähmt blieb, war er zeitlebens auf das Gerät angewiesen. Immerhin konnte er die Eiserne Lunge irgendwann zumindest kurzzeitig mit der Hilfe von mobilen Beatmungsgeräten verlassen. Trotz seiner verzweifelten Lage heiratete er und zeugte drei Kinder. 1954 starb er nach 18 Jahren Behandlung.

Die Geschichte endet mit dem Deutschen Ferdinand Schießl, der für sein Überleben von 1958 bis 2004 in dem Gerät schlafen musste. Tagsüber konnte er die Eiserne Lunge mit Hilfe einer antrainierten Atemtechnik verlassen. 2004 gelang ihm dann der Wechsel auf eine Atemmaske. Er hatte dabei zwar zunächst mit Umstellungsschwierigkeiten in Form von Panikattacken zu kämpfen, schaffte es aber.

Die emotionale Schlusspointe:

Erst nach Wochen gewöhnte sich Schießl an das Schlafen außerhalb des Stahlsargs. Damit änderte sich sein Leben radikal: Denn vorher war es ihm „nie vergönnt gewesen, Arm in Arm mit meiner Freundin einzuschlafen“.

Ich gebe zu, dass mich das berührt hat.

Ich gönne Frederick Snite (dem Amerikaner) seine Heirat und seine Kinder und ich gönne Ferdinand Schießl, dass er schließlich Arm in Arm mit seiner Freundin einschlafen durfte.

Es wäre aber schön selbst auch einmal Arm in Arm mit meinem Freund einzuschlafen – oder überhaupt einmal einen zu haben.

Realistisch betrachtet, muss es wohl nicht zwingend angenehm sein, wenn man neben jemandem einschläft. Es soll vorkommen, dass einem die Bettdecke weggezogen wird. Oder dass der andere einen im Schlaf ungewollt durch seine Bewegungen mit dem Ellbogen oder anderen Körperteilen malträtiert. Oder dass einem der Bettgenosse durch sein Schnarchen den Schlaf raubt und man sich deshalb am nächsten Tag gerädert fühlt.

Vielleicht ist diese Form der Nähe also gar nicht mal so erstrebenswert. Schlaf bekommt man schließlich auch ohne Mitschläfer. Eigentlich fehlt jemandem, der darauf verzichten muss, nichts Entscheidendes.

Und doch ist die Tatsache, dass ich jede Nacht alleine ins Bett gehe und am Morgen alleine aufwache, dass ich es noch nie erleben durfte, neben einem geliebten Menschen einzuschlafen und neben ihm wieder aufzuwachen, ähnlich belastend wie die vielleicht offensichtlichere Einschränkung, dass ich keinen Sex mit einer mich für mich sexuell anziehenden Person haben darf.

Was man nicht haben kann, wird umso sehnsüchtiger und schmerzhafter vermisst. Vermutlich ist das gemeinsame Schlafen eigentlich etwas Banales, das jemand, dem diese Möglichkeit zur Verfügung steht, kaum zu schätzen weiß und nicht allzu sehr vermisst, wenn er einmal eine Zeitlang darauf verzichten muss. Für jemanden, der es noch nie erlebt hat und dem es unerreichbar ist, kann daran aber gefühlt das Seelenheil hängen.

Vielleicht ist es als Ding an sich nicht weiter wichtig, sondern eher nur das Symbol für einen schrecklichen Mangel. Den Mangel an Zweisamkeit. Das Gefühl, dass es auch für mich eigentlich jemanden gibt, den ich glücklich machen könnte und der seinerseits mich glücklich manchen würde. Die Verzweiflung, dass er für mich unfindbar und wenn gefunden unberührbar bleiben muss, weil die Gesellschaft es so will.

Aber auch wenn ich jetzt herumgejammert habe: Nein, ich möchte nicht unbedingt mit Frederick Snite oder Ferdinand Schießl tauschen. Auch ihr persönlicher Schicksalschlag war hart und das überlieferte Happy End bleibt doch etwas dünn. Ich habe mich in meinem Leben zurechtgefunden. Ihres kenne ich nicht.

Außerdem wartet auf mich ja vielleicht auch noch ein Happy End. Wenn ja, dann nehme ich es – auch wenn es möglicherweise ein wenig dünn ausfallen mag.

Festtag der Befreiten

Am 28.06. ist Christopher Street Day (CSD). Ein Tag bunter, teils schriller Paraden von Schwulen, Lesben und Transsexuellen. Für manche fast so etwas wie ein zweiter Karneval – also vor allem eine Spaßveranstaltung. Auch die Dimensionen passen. Die ColognePride 2018 hatte 48.000 Teilnehmer und 1.2 Millionen Besucher. Auch der CSD in Berlin kommt auf etwa eine Millionen Besucher. Zum Vergleich: der Rosenmontagszug 2019 in Köln hatte 12.000 Teilnehmer und über 1 Millionen Besucher.

Was heute eher Party ist, hat einen ernsten Hintergrund. Am Christopher Street Day gedenkt die Schwulenbewegung ihrem kämpferischen Urknall. Das Zentrum des Urknalls lag in der Christopher Street in New York und dort in der Schwulenbar „Stonewall Inn“.

Die nachfolgende Schilderung stammt aus dem Wikipedia-Artikel „Stonewall“. Ich habe dabei ein paar Zeilen, die für mich bedeutsam sind, durch Fettschrift hervorgehoben.


Razzien der Polizei in „Schwulenbars“ und Nachtclubs waren ein regelmäßiges Ereignis in der Homosexuellenszene überall in den Vereinigten Staaten bis in die 1960er Jahre, als plötzlich derartige Razzien in einschlägigen Etablissements in den größeren Städten deutlich seltener wurden. Es herrscht die Meinung, dass dies eine Folge einer Reihe von Beschwerden vor Gericht und wachsenden Widerstandes der Lesben- und Schwulenbewegung war.

Vor 1965 war es üblich, dass die Polizei die Identitäten aller Anwesenden bei derartigen Razzien erfasste und manchmal in der Presse veröffentlichte, natürlich mit verheerenden sozialen Folgen für die so zwangsweise Geouteten. Gelegentlich wurden auch so viele Kunden, wie in die Polizeifahrzeuge passten, vorläufig festgenommen. Damals rechtfertigte die Polizei die Verhaftungen mit Anklagen wegen Indecency (etwa „Anstößigkeit“ oder „Erregung öffentlichen Ärgernisses“). Dazu zählte man Küssen, Händchenhalten, das Tragen von Kleidung des anderen Geschlechts oder auch nur die bloße Anwesenheit in der Kneipe während der Razzia.

1965 traten zwei wichtige Personen in das Licht der Öffentlichkeit. John Lindsay, ein liberaler Republikaner, wurde als Reformer zum Bürgermeister von New York gewählt. Dick Leitsch wurde ungefähr zur selben Zeit in New York Vorsitzender der Mattachine Society, einer frühen Organisation für die Anerkennung der Rechte von Homosexuellen in den Vereinigten Staaten. Leitsch wurde, verglichen mit seinen Vorgängern, als vergleichsweise militant eingeschätzt, und er glaubte an Methoden der direkten Aktion, die damals in den 60er Jahren bei anderen Bürgerrechtsgruppen sehr verbreitet waren.

Anfang 1966 änderte sich die Politik der Verwaltung aufgrund von Beschwerden von Mattachine: Die Polizei benutze „Lockvogelmethoden“, um Personen auf der Straße wegen des Vorwurfes der „Anstößigkeit“ festzunehmen. Der Polizeichef Howard Leary ordnete an, dass Homosexuelle nicht von verdeckt operierenden Polizisten zu einer Straftat verleitet werden dürften und bei Verhaftungen durch Undercoverleute ein Zivilist als Zeuge notwendig sei. Das beendete die Verhaftungen von Homosexuellen wegen dieser Vergehen weitgehend.

Im selben Jahr forderte Dick Leitsch die State Liquor Authority (SLA) bezüglich ihrer Richtlinien heraus, die es erlaubten, einer Bar die Schankerlaubnis für Alkohol zu entziehen, wenn diese wissentlich Alkohol an eine Gruppe von drei oder mehr Homosexuellen ausschenkte. Leitsch veranstaltete ein „Sip in“, d. h., er informierte die Presse über sein Vorhaben, sich mit zwei anderen Schwulen in einer Bar zu treffen. Als der Barmann der bewussten Bar sie abwies, wandten sie sich an die Menschenrechtskommission der Stadt. Daraufhin stellte der Vorsitzende der SLA klar, dass seine Behörde den Ausschank von Alkohol an Homosexuelle nicht länger verbieten würde. Zusätzlich ergaben zwei unterschiedliche Gerichtsentscheidungen, dass für die Rücknahme der Schankerlaubnis „substanzielle Beweise“ nötig waren und dass Küssen unter Männern nicht länger als anstößig galt. Die Zahl von Kneipen mit homosexuellem Zielpublikum wuchs nach 1966 beständig.

1969 waren „Schwulenbars“ legal, trotzdem wurde im Stonewall Inn in dieser Nacht eine Razzia durchgeführt. Nach dem bekannten Historiker John D’Emilio steckte New York mitten in einem Wahlkampf um das Amt des Bürgermeisters und John Lindsay, der gerade die Vorwahlen seiner Partei verloren hatte, glaubte, es sei notwendig, in den Kneipen seiner Stadt „aufzuräumen“.

Beim Lokal Stonewall Inn gab es gleich eine ganze Reihe von Gründen, warum diese im Visier der Polizei war: Die Betreiber hatten keine Schankerlaubnis, es gab Verbindungen zum Organisierten Verbrechen und man ließ zur Unterhaltung der Gäste spärlich bekleidete Go-Go-Boys auftreten. Damit bot das Lokal Anlass für die Einschätzung, es brächte ein „unordentliches Element“ an den Sheridan Square.

Marty Huber schreibt zum Stonewall Inn und seinen Gästen in Queering Gay Pride: „Zum einen waren die Riots ein Aufstand von ganz unten, die Bar Stonewall Inn – von der Mafia geführt – war ein Ort, wo sich jene treffen konnten, die zu den Hinterzimmern angesehener Bars keinen Zutritt hatten: obdachlose Jugendliche, Latina und Schwarze Dragqueens, schwule Sexarbeiter, Butches und ihre Liebhaber_innen…“

Auch Salih Alexander Wolter stützt aus seinen Untersuchungen diese Sicht und betont, dass gerade diese Personengruppen am entschlossensten kämpften, unter ihnen Sylvia Rivera und Marsha P. Johnson.

So wird aus der Kundschaft des Stonewall Inn die Ausgrenzung der schwulen (und lesbischen) Community deutlich. Auch für die Razzien der Polizei soll Rassismus eine Rolle gespielt haben, denn im Stonewall Inn verkehrten viele Schwarze und Latinos. Möglicherweise war die Entscheidung der Polizei, die Razzia auf diese Weise durchzuführen, wie sie letztlich durchgeführt wurde, von der Tatsache beeinflusst, dass die Kundschaft des Stonewall Inn nicht nur homosexuell, sondern dazu noch mehrheitlich nicht-weiß und daher besonders „verachtenswert“ erschien. Ein großer Teil der Personen, die Widerstand leisteten, waren Afroamerikaner und Latinos.

Deputy Inspector Seymour Pine, der die Razzia in dieser Nacht anführte, behauptete, dass ihm befohlen worden sei, das Stonewall Inn zu schließen, weil es der zentrale Ort gewesen sei, an dem man Informationen über Homosexuelle sammeln konnte, die in der Wall Street arbeiteten. Zuvor gab es einen Anstieg an groß angelegten Diebstählen bei Börsenhändlern der Wall Street, was die Polizei zu dem Verdacht veranlasst hatte, es könnten Homosexuelle in die Diebstähle verwickelt sein, die mit ihrer Homosexualität erpresst wurden.

Bei dieser Razzia kamen einige Faktoren zusammen, die sie von den Razzien unterschieden, an die sich die Kunden gewöhnt hatten. Eine Woche zuvor war Judy Garland gestorben, eine wichtige kulturelle Ikone, mit der sich viele Homosexuelle identifizierten. Die Trauer über den Verlust gipfelte in der Beerdigung am Freitag, 27. Juni, welche von 22.000 Menschen besucht wurde, darunter 12.000 Homosexuelle. Viele der Kunden des Stonewall waren noch immer emotional aufgewühlt, als die Razzia durchgeführt wurde. Historiker streiten darüber, ob es einen Zusammenhang gab oder nicht.

Ein weiterer Umstand, der die Razzia besonders macht, war der Zeitpunkt. Üblicherweise bekamen die Betreiber der Bar vom Sechsten Bezirk einen Hinweis auf die bevorstehende Razzia. Die Razzien erfolgten in der Regel früh genug am Abend, so dass die Kneipe kurz danach zur Hauptgeschäftszeit ihren Betrieb wieder fortsetzen konnte. Diese Razzia erfolgte viel später als gewöhnlich, um 1.20 Uhr in der Nacht zum Samstag.

Acht Beamte des Ersten Bezirks, von denen nur einer Uniform trug, kamen in das Lokal. Die meisten Kunden konnten ihrer Verhaftung entgehen, da üblicherweise nur solche Personen festgenommen wurden, die keine Ausweispapiere bei sich hatten, Personen, die Kleidung des anderen Geschlechts trugen und einige oder alle Angestellten der Bar.

Die Details, wie genau der Aufstand entflammte, sind uneinheitlich. Eine Quelle behauptet, eine Transgender-Frau namens Sylvia Rivera habe eine Flasche nach einem Polizisten geworfen, nachdem sie von dessen Schlagstock getroffen worden sei. Eine andere Quelle behauptet, dass eine homosexuelle Frau sich dagegen gewehrt habe, in ein Polizeiauto gesteckt zu werden, und damit die umstehende Menge angespornt habe, sich ihr anzuschließen.

Eine Schlägerei begann, in der die Polizisten schnell überwältigt wurden. Die Beamten zogen sich in die Bar zurück. Der heterosexuelle Folk-Sänger Dave Van Ronk, der zufällig vorbeikam, wurde von den Polizisten ergriffen und in der Bar misshandelt. Doch die Menge ließ nicht locker. Einige versuchten, die Bar anzuzünden. Andere benutzten eine Parkuhr als Rammbock, um die Polizisten zu vertreiben. Die Nachricht von der Schlägerei verbreitete sich rasch, und immer mehr Anwohner und Kunden nahe gelegener Bars strömten zum Ort des Geschehens.

Während dieser Nacht griff sich die Polizei zahlreiche weiblich aussehende Männer und misshandelte diese. Allein in dieser Nacht gab es 13 Festnahmen, und vier Polizisten wurden verletzt. Die Zahl der verletzten Protestierer ist nicht bekannt. Es ist jedoch bekannt, dass mindestens zwei Personen, die Widerstand leisteten, von der Polizei schwer verletzt wurden. Die Protestierenden warfen Steine und Flaschen und skandierten „Gay Power!“. Die Zahl der Protestierenden wurde auf 2.000 Personen geschätzt, gegen die 400 Polizisten eingesetzt wurden.

Die Polizei entsandte Verstärkung in Form der Tactical Patrol Force, einer Einheit, die ursprünglich darauf trainiert war, Demonstrationen von Vietnamkriegsgegnern zu bekämpfen. Die Tactical Patrol Force traf ein und versuchte die Menge zu zerstreuen, die die Polizisten mit Steinen und anderen Wurfgeschossen angriff. Letztendlich beruhigte sich die Lage, aber die Protestierenden kehrten in der nächsten Nacht zurück. Die Proteste waren weniger gewalttätig als in der ersten Nacht. Kleinere Scharmützel zwischen Protestierenden und der Polizei folgten bis etwa 4.00 Uhr am Morgen. Zum dritten Tag mit Protesten kam es fünf Tage nach der Razzia im Stonewall Inn. An diesem Mittwoch kamen 1.000 Menschen bei der Bar zusammen und verursachten erneut erheblichen Sachschaden. Aufgestauter Zorn und Empörung gegen die Art, wie Homosexuelle seit Jahrzehnten von der Polizei behandelt worden waren, entluden sich.

Die Kräfte, die lange Zeit vor dem Aufstand unter der Oberfläche gebrodelt hatten, blieben nun nicht länger verborgen. Die Gemeinschaft, die durch homosexuellenfreundliche Organisationen in den Jahrzehnten zuvor geschaffen worden war, bot den idealen Nährboden für die offene homosexuelle Befreiungsbewegung. Ende Juli formierte sich die Gay Liberation Front (GLF) in New York, und Ende des Jahres war sie in vielen Städten und Universitäten des Landes vertreten. Allerdings handelt es sich auch hier nicht einfach um eine Erfolgsgeschichte, sondern es wurden rasch Trans*-Personen und People of Color, wie Sylvia Rivera, von Schwulen und Lesben des Mainstreams ausgeschlossen – seit 1973 durften Trans*-Personen nicht mehr Mitglied der Gay Activists Alliance (GAA) – Nachfolgeorganisation der GLF – sein, weil sich die eindeutig geschlechtlich identifizierten Schwulen und Lesben damit bessere Chancen für ein Antidiskriminierungsgesetz (Gay Rights Bill) versprachen. Bald darauf wurden weltweit ähnliche Organisationen gegründet, unter anderem in Kanada, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Australien und Neuseeland.

Im folgenden Jahr organisierte die Gay Liberation Front im Gedenken an den Stonewall-Aufstand einen Marsch vom Greenwich Village zum Central Park. Zwischen 5.000 und 10.000 Menschen nahmen an diesem Marsch teil. Damit war die Tradition des Christopher Street Days (CSD) begründet, mit der viele Gay-Pride-Bewegungen seither im Sommer das Andenken an diesen Wendepunkt in der Geschichte der Diskriminierung von Homosexuellen feiern.

Der Stonewall-Aufstand leitete auch eine Neuorientierung in der Schwulenbewegung ein: Während es bis dahin um die Entkriminalisierung von Schwulen und Lesben ging und darum, für Toleranz bei der heterosexuellen Bevölkerungsmehrheit zu werben, steht seit dem Aufstand ein neues Selbstbewusstsein im Vordergrund: Schwule, Lesben, und Transgender sind stolz auf sich selbst, ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität und ihren Lebensstil und machen diesen Stolz (Gay Pride) auch selbstbewusst öffentlich.


Soweit Wikipedia.

Die Schwulenbewegung wurde mit der Zeit dann wieder inklusiver. Ich habe dieses Phänomen nicht recherchiert, es erscheint mir aber plausibel, dass der Hintergrund eine strategische Erkenntnis war und man zum Schluss kam, dass die Menge der vertretenen Menschen für die Durchsetzung der politischen und gesellschaftlichen Ziele entscheidend ist.

Mitte der 80er kam das Kürzel LGB auf (Lesben, Schwule und Bisexuelle). 1988 kam dann ein „T“ hinzu, das für Transsexuelle steht. Um 1990 kam ein „Q“ hinzu, das für queer (norm-abweichend) steht. Unter dieses Etikett passen außer Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Intersexuellen, Transgendern, Pansexuellen, Asexuellen und BDSMlern auch heterosexuelle Menschen, die Polyamorie praktizieren.

Mittlerweise gibt es auch Varianten wie LGBTIQ (wobei das das „i“ für Intersexuelle steht) oder Versionen bis hin zum LGBTQIAPK (lesbian, gay, bisexual, transgender, queer, intersex, asexual, pansexual, polyamorous, kink). Auch Asexuelle, Pansexuelle, Polyamoristen und Menschen, die ungewöhnliche Sexualpraktiken („kink“) bevorzugen, sind also mittlerweile inkludiert. Weil das Akronym inklusionsbedingt inzwischen völlig ausgeufert ist, gibt es auch die vereinfachte Variante LGBT+, wobei das Plus alles einschließt, was sonst mit weiteren Buchstaben ausgedrückt werden wurde.

Nicht im „+“enthalten ist sind lediglich pädophile oder hebephile Menschen, also Menschen, deren sexuelle Präferenz primär auf vorpubertäre (-> pädophil) oder pubertäre (-> hebephil) Kinder bzw. Jugendliche gerichtet ist.

Das war einst anders. Insbesondere Päderasten (also Männer, die sich für pubertierende Jungs interessieren) gehörten einst quasi-selbstverständlich dazu.

Die Schwulenbewegung hat sich – als sie selbst noch unterdrückt wurde bzw. an ihre Unterdrückung erinnerte – mit den Forderungen ihrer pädophilen und päderastischen Mitstreiter solidarisiert. Dabei spielte sicher auch eine Rolle, dass es viele Schwule gibt, die gute Erinnerungen an ältere Männer haben, mit denen sie als schwule Jungen positive sexuelle Erfahrungen gesammelt haben und von denen sie sich angenommen und geliebt fühlten.

Die Abschaffung des § 176 (Sexueller Missbrauch von Kindern) wurde 1980 ernsthaft diskutiert. Entsprechende Positionen hatten Unterstützer etwa bei der FPD und bei den Grünen. In diesen Zeitpunkt fiel aber auch ein Wahrnehmungsumschwung, der von Kreisen der Emanzipationsbewegung getragen wurde. Danach ist Sexualität fix mit männlicher Herrschaft und Gewalt verbunden.

Herrschaft über Menschen lässt sich nur ausüben mittels Ausführung oder Androhung von Gewalt. So wie heute zum Beispiel in Iran Oppositionelle nur mit Gewehren auf die Knie und Frauen unter den Schleier gezwungen werden können; so wie Schwarze in Amerika über Jahrhunderte nur mit der Peitsche in Ketten gehalten werden konnten; so wurde die Domination von Männern über Frauen über Jahrtausende mittels struktureller und persönlicher Gewalt aufrecht erhalten. Und jede, der es (noch) nicht passiert war, wusste: Es könnte auch mir passieren.

Über Jahrtausende war Sexualität eine Waffe gegen Frauen. Sie wurden im Krieg, in der Öffentlichkeit oder im Ehebett vergewaltigt und geschwängert. Gewalt & Sexualität waren untrennbar verbunden, und zwar für Männer wie Frauen. Für Frauen, weil sie dachten – oder gar noch immer denken –, das gehöre einfach dazu bei „den Männern“; und weil Frauen gefällig sind bzw. sein müssen.

Traditionell ist also schon die Gewalt an sich lustvoll besetzt für Männer – und zwar unabhängig von der Ausführung sexueller Handlungen (wie Penetration). Erst im Zuge der Emanzipation der Geschlechter wurde das infrage gestellt, versuchen Frauen wie Männer, Gewalt & Sexualität zu trennen. Doch nach Jahrtausenden braucht es dazu mehr als ein paar Jahrzehnte. Denn Sexualgewalt ist kein individueller Ausrutscher, sondern strukturell verankert; ein tiefes, dunkles Erbe. So kommt es, dass für so manchen Mann Gewalt gegen Frauen weiterhin lustbesetzt, ja die höchste Lust ist.

Womit wir bei den Harvey Weinsteins, Tariq Ramadans und Dieter Wedels dieser Welt wären. Solchen Männern geht es nicht nur um „Sex“, es geht um Domination, Demütigung und Gewaltausübung. Sie wollen erniedrigen, foltern, ficken. (…)

Aus „Sexualität, Gewalt & Macht“ von Alice Schwarzer

Wer so über Sexualität denkt, für den ist Sexualität mit Kindern gleichzusetzen mit Gewalt an Kindern. Gewalt an Kindern aber kann niemand wollen.

Weil, bei aller Verteufelung von prinzipiell mit Gewalt und Herrschaft verbundener (männlicher) Sexualität, einvernehmliche Sexualität ja ausnahmsweise erlaubt sein muss, wurde postuliert, dass es keine einvernehmliche Sexualität mit Kindern geben kann.

Einer der Mitstreiter von Alice Schwarzer war der Soziologe und Sexualwissenschaftler Günter Amendt, der 1980 für die Zeitschrift konkret einen längeren Beitrag zur Pädophilie-Diskussion beisteuerte.

(…) Es geht hier um eine politische Diskussion, die geradezu verblüffend unpolitisch geführt wird. Verblüffend, weit man bei flüchtigem Hinhören von der politischen Begrifflichkeit und der politischen Tradition dieser Begriffe beeindruckt und vielleicht sogar beruhigt sein mag: »Emanzipation«. »Befreiung von« und »Recht auf« – das scheinen nicht nur Worte sondern Sprachinhaltezu sein, für die einzutreten viele bereit sind. Mehr jedenfalls, als den Vertretern der herrschenden Moral lieb sein könnte. Doch Assoziationen, die sich einstellen, lassen sich kaum noch auf einen politischen Nenner bringen und schon gar nicht in eine Tradition einordnen, die das Thema Sexualität einmal politisch wieder aufgenommen hat, und dabei von Anfang an Herrschaft, die Sexualität unter den gegebenen Umständen innewohnt, einbezog als untrennbar zum Thema gehörig.

Begriffe wie Herrschaft, Ungleichheit, Ausbeutung und Unterdrückung tauchen in der aktuellen Diskussion kaum auf. Das bedrückt und beschäftigt mich. Das hat Alice Schwarzer beschäftigt und bedrückt, als wir uns zu einem Gespräch über die Pädophilie-Diskussion trafen (das inzwischen in »Emma« veröffentlicht wurde). Einige meiner Überlegungen beruhen auf diesem Gespräch.

(…)

Gerade weil ich aus prinzipiellen Gründen genital-sexuelle Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern als Herrschaftsverhältnis ablehne, habe ich Schwierigkeiten, Erfahrungen einzuordnen, die für das Gegenteil einer Herrschaftsbeziehung zu stehen scheinen. Ich weiß von pädophilen Erwachsenen, die in einer Weise das Macht-Ohnmachtgefälle zwischen Kind und Erwachsenem reflektieren, wie ich es von den meisten hetero- oder homosexuellen Erwachsenen-Beziehungen nicht kenne. Und gemessen an den sozialen Chancen vieler Jungen in solchen Verhältnissen, läßt sich nicht bestreiten, daß ihre Beziehung zu diesen erwachsenen Männern als sie fördern und stützend zu bezeichnen ist.

Hingegen steht das Beispiel des heute zwanzigjährigen Richard geradezu idealtypisch für die negativen sozialen Folgen einer Mann-Kind-Beziehung. Seine Erfahrungen kann man kaum positiv bewerten. Weder förderten noch stützten sie die Entwicklung des Jungen. Solche Erfahrungen widersprechen auch allen Vorstellungen von einer gewaltfreien, die Rechte eines Kindes achtenden, letztendlich antiautoritären Erziehung.

Aus „Nur die Sau rauslassen?“ von Günter Amendt

Hier der angeblich „idealtypische“ negative Fall einer Mann-Kind Beziehung lt. Günter Amendt:

Zum Beispiel Richard

Richard hatte vom zehnten bis zum vierzehnten Lebensjahr ein »Verhältnis« mit einem verheirateten Arzt, der bei Beginn der Beziehung vierzig Jahre alt war. Der sexuelle Anteil der Beziehung ist nach Richards Erinnerung unbedeutend, d.h. das Sexuelle ist ihm weder als besonders angenehm noch als besonders unangenehm in Erinnerung. Den Zufall, dass sich seine eigenen, allerdings noch nicht als solche erkannten homosexuellen Bedürfnisse mit denen des erwachsenen Mannes trafen, könnte man als günstige Fügung begreifen, wenn Richard nicht gerade daran aus der Sicht eines heute Zwanzigjährigen Homosexuellen zweifelte. Theoretisch hat diese Beziehung das »coming out« des Jungen beschleunigt und ihm in einer Art gleitendem Übergang die oft qualvollen Umwege der Selbstakzeptierung erspart. Richard kann darin allerdings kein Privileg sehen. Nur die frühe Erkenntnis, dass Beziehungen unter Gleichgeschlechtlichen offenbar nicht ‚abnorm‘ sind, habe ihm möglicherweise Probleme erspart. Seine heutigen Schwierigkeiten aber, aktiv einen Partner zu suchen und zu finden, sei eine der negativen Folgen der damaligen Beziehung. Von Anfang an sei ihm das Verbotene der Beziehung bewusst gewesen und die daraus resultierende Abhängigkeit des Älteren. Er habe – so Richard heute – eine Erpressermentalität entwickelt, die den älteren Freund zwang, ihm alle Wünsche zu erfüllen. Meist sei es um kleine Wünschen gegangen, aber im Bewusstsein vorgebracht, dass auch die Erfüllung großer Wünsche möglich wäre. Jedenfalls sei es nie eine Frage gewesen, wer das Eis bezahle, das Kino finanziere und wer den Zirkus in die Stadt hole. Daraus habe er eine mädchenhaft abwartende Haltung entwickelt, eine Passivität, die ihm heute noch zu schaffen mache.

Im Übrigen frage er sich, ob die Selbstverständlichkeit, mit der der Homosexualität als solche und schließlich die Homosexualität in sich akzeptierte, nicht nötige Lernschritte verbaute. Probleme, wie sie ihm von anderen Homosexuellen als typisch für das »coming out« beschrieben worden seien, habe er damals nicht gekannt. Umso mehr fühle er sich heute mit ihnen konfrontiert, ohne aber das Selbstbewusstsein und die Widerstandskraft gegen Anfeindungen und Diskriminierung entwickelt zu haben, die er bei anderen – auch jüngeren – beobachten könne.

Richard sieht keinen gefühlsmäßigen Zusammenhang zwischen seinen frühen sexuellen Erfahrungen mit einem älteren Mann und seinem »coming out« als Homosexueller. Negativ habe sich die zeitliche Überschneidung der Beziehung mit seinem »coming out« ausgewirkt. Solange die Beziehung dauerte, sei er von Gleichaltrigen völlig isoliert gewesen. über die Gründe, die schließlich zur Auflösung der Beziehung führten, habe er wenig nachgedacht. Er neige aber heute zu der Ansicht, dass das Interesse des Älteren an ihm mit der Geschlechtsreife nachgelassen habe. Kontakt habe er keinen mehr zu seinem ehemaligen Freund. Vor allem wohl deshalb, weil die Beziehung des Älteren zu ihm angstgeprägt sei. Der Mann fühle sich wohl auch heute noch erpressbar.

Aus „Nur die Sau rauslassen?“ von Günter Amendt

Das Beispiel scheint mir fast schon hilflos.

Der sexuelle Kontakt mit dem Mann war für den Jungen in keiner Weise belastend. Das Sexuelle der Beziehung war für Richard relativ unbedeutend und ist ihm nicht unangenehm in Erinnerung. Er sieht keinen Zusammenhang zu seiner Identität als Homosexueller und hat aus der Beziehung einen offenen Umgang mit seiner Sexualität mitgenommen, die ihm „die oft qualvollen Umwege der Selbstakzeptierung erspart“ haben.

Es scheint mir bizarr, wenn Richard meint, dies habe ihm möglicherweise nötige Lernschritte verbaut und wenn er (vermeintlich deshalb) fehlendes Selbstbewusstsein und Widerstandskraft gegen Anfeindungen und Diskriminierung beklagt.

Das hört sich so an, als würde sich jemand beklagen, nicht widerstandsfähig gegen Folter zu sein, weil er als Kind nicht genug gefoltert wurde. Das Problem ist nicht die fehlende Widerstandsfähigkeit gegen Folter, sondern die Folter (bzw. die Anfeindungen und Diskriminierung). Für die Anfeindungen und Diskriminierung anderer kann der Mann, den Richard als Kind ausgenutzt hat, nichts.

Richard war sich als Junge des (für den Mann) Verbotenen der Beziehung bewusst. Auch der sich daraus ergebenden Abhängigkeit des Älteren. Er hat den Mann manipuliert, ausgenutzt und eine Erpressermentalität kultiviert, die den älteren Freund zwang, ihm alle Wünsche zu erfüllen. Das Interesse des Älteren an ihm hat dann mit der Geschlechtsreife nachgelassen. Er hat keinen Kontakt zu seinem ehemaligen Freund. Nach eigener Einschätzung vor allem deshalb, weil die Beziehung des Älteren zu ihm angstgeprägt ist und der Mann sich nach wie vor erpressbar fühlt.

Allgemein wird ja zur prinzipiellen Ablehnung sexueller Erwachsenen-Kind Kontakte angeführt, dass ein Kind sich gegenüber einem Erwachsenen in einem Abhängigkeitsverhältnis befinde. Aufgrund des strukturellen Machtgefälles ist angeblich jeder sexuelle Kontakt zwischen einem Kind und einem Erwachsenen sexueller Mißbrauch. Im Fall von Richard ist klar, an welchem Ende des Machtgefälles er sich befunden hat. Er hatte Macht über den Mann, der ihn begehrt hat. Und hat diese Macht rücksichtslos ausgenutzt. Missbrauch ist, wenn ein Mensch einen anderen Menschen schlecht behandelt. Und genau in diesem Sinne hat Richard seinen älteren Beziehungspartner missbraucht.

Die Schlussfolgerung: Richard war als Junge ein Arsch.

Heute hat er Probleme, aktiv einen Partner zu suchen und zu finden, und glaubt, dies sei eine negative Folge seiner Beziehung als Junge mit einem Mann. Er habe „eine mädchenhaft abwartende Haltung entwickelt, eine Passivität, die ihm heute noch zu schaffen mache“.

Mir scheint das extrem zweifelhaft. Man ist entweder passiv, schüchtern, introvertiert oder man ist es nicht. Man wird es nicht, nur weil man einmal einen Partner hatte, der einem seine Wünsche erfüllt hat. Kontaktprobleme hatte Richard darüber hinaus wohl auch schon als Kind („Solange die Beziehung dauerte, sei er von Gleichaltrigen völlig isoliert gewesen.“)

Für mich liegt nahe, dass Richard von Natur aus schüchtern, passiv und introvertiert ist. Es scheint mir außerdem wahrscheinlich, dass er als Mann immer noch ein Arsch ist und deshalb Beziehungsprobleme hat.

Die hätte er aber wohl genauso, wenn er den Mann nie kennen gelernt hätte oder wenn er nicht homosexuell wäre. Es gibt schließlich auch schüchterne, passive und introvertierte Heterosexuelle, die Ärsche sind und deshalb Beziehungsprobleme haben.

Soweit meine Einschätzung zum Fall Richard. Es gibt andere Jungen, die ihre älteren Beziehungspartner nicht erpresst und verängstigt haben und die sich positiv an die gemeinsame Zeit erinnern.

So abstrus die Sicht von Alice Schwarzer und Günter Amendt ist, sie hat sich durchgesetzt.

1980 schrieb Amendt noch:

Wer es wagt, im Zusammenhang von Pädophilie von Tätern und Opfern zu sprechen – oder auch nur nach Opfern vorsichtig fragt – wird von den Propagandisten der Pädophilie flugs dem staatlichen Repressionsapparat zugeschlagen und verdächtigt, verkappter Staatsanwalt zu sein. Die Diskussion über sexuelle Beziehungen zu Kindern – einem der letzten und – wie Adorno einmal schrieb – ‚mächtigsten Tabus‘ ist selbst von Tabus, Frage- und Denkverboten überlagert. Stellt man sich stur und fragt dennoch beharrlich nach, hat man seine Unschuld schnell verloren und im Milieu auch seine Glaubwürdigkeit. Schuldgefühle sollen einem das Maul stopfen, das schlechte Gewissen soll einen sprachlos machen. Der Mechanismus funktioniert nicht schlecht, denn Schuldgefühle und schlechtes Gewissen stellen sich ein. Unweigerlich.

Heute sind die mundtot, die es wagen, nicht von Tätern und Opfern zu sprechen und an die Möglichkeit einvernehmlicher Sexualkontakte glauben. Wer das tut „verharmlost“ Pädophilie. Mit Pädophilie ist Kindesmissbrauch gemeint und das Bild von Kindesmissbrauch, das in die Köpfe der Menschen gepflanzt wurde, ist das von anal penetrierten, schreienden Kleinkindern.

Auf der Seite des Leben- und Schwulenverbands wird die Entwicklung so geschildert (die Reihenfolge der zitierten Abschnitte ist zum besseren Verständnis teils abgeändert):

Schwule waren in den 1970er und 1980er Jahren noch eine vielfach diskriminierte Minderheit, für die z.B. die Mitarbeit in einer Schwulengruppe existenzgefährdende Folgen im Beruf haben konnte. Schwule hatte in der Bundesrepublik jahrzehntelang die Erfahrung menschenrechtswidrige Strafverfolgung für ihre Sexualität gemacht (§ 175 StGB). Die Verfolgung durch § 175 war durch nichts gerechtfertigt und reines Moralstrafrecht. An diese Verfolgungserfahrung schwuler Männer haben die Pädophilen-Aktivisten geschickt angeknüpft und konnten viele davon überzeugen, dass sie sich in einer ähnlichen Situation befinden. Die Päderasten machten geltend, dass sie genauso verfolgt würden und forderten von den Schwulen Toleranz und Unterstützung ein. (…)

„Bis in die 1980er Jahre herrschte in den Schwulengruppen ein weitgehender Konsens darüber, dass man neben der Entkriminalisierung schwuler Sexualität und der Abschaffung des § 175 auch die Straffreiheit ‚einvernehmlicher Sexualität‘ zwischen Erwachsenen und Jugendlichen bzw. Kindern und die Abschaffung der §§ 174 und 176 StGB fordern solle“, schreibt Sebastian Haunss in einem 2012 erschienenen Sammelband „Rosa Radikale – Die Schwulenbewegung der 1970er Jahre“.1 Diesen Konsens habe ich in der Tat in den Schwulengruppen vorgefunden, die ich Anfang der 1980er Jahre nach meinem Coming-out kennenlernte, und zeitweise unhinterfragt mitgetragen. (…)

Ab Anfang der 80er Jahre begannen Frauen ihre vielfachen Gewalterfahrungen in den Familien öffentlich zu machen (Missbrauch junger Mädchen durch den Vater, den Stiefvater, den Onkel usw. sowie Vergewaltigung von Ehefrauen durch die Ehemänner, die damals nicht als solche strafbar war). Auch Themen wie Ausbeutung durch Sextourismus kamen auf die Tagesordnung. Diese Initiativen haben auch vielen Schwulen einen neuen Blick auf das Thema Pädophile eröffnet. (…)

Diskussionen mit Feministinnen und Berichte von Beratungsstellen veränderten schließlich langsam den Blickwinkel. 1984 erschien das Buch „Väter als Täter – Sexuelle Gewalt gegen Mädchen“ von Barbara Kavemann und Ingrid Lohstöter. Es machte eindringlich deutlich, wie hohl das Gerede von „sexueller Befreiung“ und „Einvernehmlichkeit“ war und wie viel strukturelle und direkte Gewalt in sexuellen Handlungen Erwachsener mit Kindern liegt. Das war ein Wendepunkt, ab dem die Zweifel immer stärker wurden, auch an der Behauptung, es gebe in diesem Bereich zumindest außerhalb familiärer Machtverhältnisse „einvernehmliche“ Beziehungen. (…)

Schließlich vollzog die Schwulenbewegung in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre langsam eine Abkehr von der Solidarisierung mit pädophilen Forderungen. Haunss konstatiert, dass dieser Positionswechsel „praktisch ohne bewegungsinterne Diskussionen vonstatten ging“. Er glaubt, dies „ist letztlich nur damit zu erklären, dass das Thema für die meisten Bewegungsaktivisten nur eine geringe lebenspraktische Bedeutung hatte“. Dieser Positionswechsel war aus meiner Sicht eine große persönliche und politische Befreiung. Er eröffnete den Weg zu einer menschenrechtsorientierten Schwulenpolitik, die einseitige dogmatisch-ideologische Aufladungen von “sexueller Befreiung“ hinter sich lässt und sich den „lebenspraktischen“ Fragen von Selbstbestimmung und Gleichberechtigung zuwendet. Wir haben dafür freilich eine Menge Kritik einstecken müssen.

Haltung des SVD zu den Forderungen pädophiler Aktivisten

Am Ende der Entwicklung stand eine Unvereinbarkeitserklärung des Lesben– und Schwulenverband (LSVD) im Jahr 1994 und eine „Erklärung zur Pädophilie“ im Jahr 1997 :

Der Schwulenverband in Deutschland (SVD) ist der Auffassung, daß Sexualität zwischen Menschen nur im gegenseitigen Einvernehmen stattfinden darf. Zwischen Erwachsenen und Kindern liegt ein strukturelles Machtgefälle vor. Zudem ist das Verständnis der Bedeutung von Sexualität bei Kindern und Erwachsenen grundlegend verschieden. Ein gleichberechtigtes Einvernehmen zwischen Kindern und Erwachsenen ist daher nicht gegeben. Nach unserer Überzeugung ist es Missbrauch, wenn Erwachsene ihre sexuellen Bedürfnisse auf Kosten von Kindern befriedigen.

Haltung des SVD zu den Forderungen pädophiler Aktivisten

Auch international wurde Pädos und Päderasten aus der Schwulenbewegung herausgeschmissen. 1986 verboten die Organisatoren der Los Angeles Gay Pride Parade die Teilnahme der pädophilen (bzw. päderastischen) Gruppe Nambla (North American Man Boy Love Association).

Teile der Schwulenszene, wie der Aktivist Harry Hay wehrten sich dagegen. Hay, der selbst nicht pädophil war, sagte 1983 bei einer Rede vor der Gay Academic Union in New York: „Wenn die Eltern und Freunde von Homosexuellen wirklich Freunde von Homosexuellen sind, würden sie von ihren schwulen Kindern wissen, dass die Beziehung zu einem älteren Mann genau das ist, was dreizehn, vierzehn und fünfzehn Jahre alte Kinder mehr als alles andere auf der Welt brauchen“.

Hay hob auch seine eigene Beziehung zu einem erwachsenen Mann hervor, die begann als er vierzehn war: „Ich sende euch allen meine Liebe und tiefe Zuneigung für das, was ihr den Jungen anbietet, zu Ehren dieses Jungen, der, als er vierzehn war, am dringendsten wissen musste, was nur ein anderer schwuler Mann ihm zeigen und sagen konnte“.

Hay nahm an der Gay Pride Parade von 1986 teil, von dem Nambla ausgeschlossen wurde und trug dabei ein Schild auf dem „Nambla walks with me“ (Nambla geht mit mir) stand.

Geteilt via [skeptics] stack exchange – “ Did NAMBLA march in Gay Pride parades in the 70s and 80s?

Die Verbannung von Pädophilen setzte sich durch. Hay weigerte sich 1994 am CSD-Marsch in New York zum 25-jährigen Jubiläum der Stonewall-Unruhen teilzunehmen, weil Nambla ausgeschlossen wurde. Er blieb bis zuletzt ein Unterstützer. 2002 starb er.

Für andere Schwule und Leben waren Pädos (wie vorübergehend auch die Transsexuellen) längst zum Ballast geworden, den man aus Eigennutz von Bord werfen musste.

1993 wurde die ILGA, der weltweite Dachverband der Lesben-, Schwulenorganisationen als Nichtregierungsorganisation mit Beraterstatus beim Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen, einem der sechs Hauptorgane der Vereinten Nationen anerkannt.

Als bekannt wurde, dass auch Nambla dem Verband angehörte, riefen viele Schwulenverbände dazu auf, Nambla herauszuwerfen. Politischer Druck kam aus den USA. Der republikanische Senator Jesse Helms brachte einen Gesetzentwurf ein, mit dem 119 Millionen US-Dollar an UN-Beiträgen zurückzuhalten werden sollten, bis US-Präsident Bill Clinton bestätigen konnte, dass keine UN-Agentur Organisationen, die Pädophilie dulden, einen offiziellen Status gewährt. Der Gesetzentwurf wurde vom Kongress einstimmig genehmigt und von Clinton im April 1994 unterzeichnet.

Ergebnis: Der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen hat die ILGA suspendiert. Die ILGA wiederum hat drei pädophile Gruppen, die nordamerikanische Nambla, die niederländische Vereniging Martijn und die Gruppe Project Truth noch 1994 rausgeschmissen. Die verbandsinterne Zustimmung für den Rauswurf lag bei 88% der Stimmen. Trotzdem erlangte die ILGA den Beraterstatus erst 2011 zurück.

Den Schwulen und Lesben geht es mittlerweile gut. Gesellschaftliche Anerkennung, starke Anti-Diskriminierungs-Gesetze, eingetragene Lebenspartnerschaften, Ehe für alle, Ermöglichung von Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare.

Kampf war gestern. Heute kann getanzt werden.

Als Nicht-Befreiter und ausdrücklich Ausgeschlossener sehe ich das mit gemischten Gefühlen.

Ausgeschlossen sein, tut weh, ist sozialer Schmerz. Es ist leichter gemeinsam mit anderen unterdrückt zu sein, als zuzusehen, wie andere aus der Unterdückung entkommen sind und als (gefühlt) einziger unterdrückt zurück zu bleiben.

Ich mißgönne anderen nicht, dass es Ihnen gut geht. Es sollte möglichst vielen Menschen auf der Welt gut gehen. Aber bitte auch mir.

Insgesamt gesehen bin ich eher neidisch als wütend. Ich wünsche mir nicht nur ohne Angst vor Verfolgung lieben zu dürfen, sondern auch sagen zu können: „Ich bin pädophil – und das ist auch gut so!“ – und zwar ohne dass mir dann am nächsten Tag jemand die Scheiben einschlägt, mir in den Tagen danach mein Umfeld die Freundschaft aufkündigt und ohne dass ich in der Woche darauf meinen Job verliere.

Auf der Europride in Wien sprach dieses Jahr der österreichische Bundespräsident Alexander Van der Bellen und sagte: „Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans, Intersex und queere Personen leben inmitten unserer Gesellschaft und werden auch weiterhin ein sichtbarer, respektierter und integraler Teil unserer Gesellschaft sein. (…) Die Würdigung der Vielfalt und deren Respekt und Akzeptanz sind ein wesentliches Element von Demokratien“. Nach ihm sprach die EU-Justizkommissarin Vera Jourova. Danach der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, der sagte: „Liebe ist frei und dafür werden wir uns einsetzen.“

Ich war nicht gemeint. Meine Liebe ist nicht frei. Ob sich der Mensch, den ich liebe von mir geliebt fühlt und mich liebt, spielt keine Rolle.

Zum Abschluss noch ein Gedicht von Phönix …

An die Verräter
Phönix

Als wir alle uns fürchteten.
Als wir alle einsam des Nachts stille weinten.
Als wir alle uns noch verstellen mussten.
Als wir noch um Atem rangen, nach kostbarer Luft,
weil wir nicht lieben durften.
Als man uns noch ins Gefängnis warf – gemeinsam –
und man uns noch – gemeinsam – in die Hölle verdammte.
Da waren wir Brüder.

Als die Welt für euch schön wurde,
man euch Rechte verlieh,
und man euch aufnahm unter den Menschen,
habt ihr uns vergessen
und schämt euch nun,
dass ihr uns einst kanntet.

Wenn wir uns heute sehen,
spuckt ihr uns an.
Gemeinsam mit den anderen.
Damit die anderen es sehen.

Aber vielleicht sehen wir uns einst wieder.
Es ist ja noch euer Platz frei
neben uns in der Hölle.

Nachtrag

Als ich für den Folgeartikel „Berliner CSD – 15. Jahrestag des Rauswurfs“ recherchiert habe, bin ich zufällig auf einen Artikel aus dem Jahr 2011 bei queer.de gestoßen. Queer.de versteht sich sich selbst als „Zentralorgan der Homo-Lobby“. Aus diesem Artikel:

Solche Geschichten kommen normalerweise nur aus Hollywood: Der siebenjährige Malcolm hat im Radio eine Geschichte über die Benachteiligungen gehört, die Schwule und Lesben in Amerika widerfahren. Der Junge war sauer – und sprach mit seiner Mutter darüber, was er dagegen tun könne. Schließlich entschied er sich, 140 Dollar an zwei Homo-Gruppen zu spenden: zum einen an die Human Rights Campaign, die sich mit Lobbyarbeit in Washington für eine Gleichbehandlung in den Gesetzbüchern einsetzt, zum anderen an das Los Angeles Gay and Lesbian Center. Die Einrichtung bietet unter anderem einen kurzfristigen Unterschlupf für junge Obdachlose an, die wegen ihrer sexuellen Orientierung aus dem Haus der Eltern geworfen worden waren. Dieses Problem hat Malcolm besonders betroffen gemacht, da es Studien zufolge in den USA immer mehr um sich greift: So kam bereits eine Untersuchung aus dem Jahr 2006 zu dem Ergebnis, dass fast die Hälfte aller jungen Obdachlosen schwul, lesbisch oder transsexuell sind. Grund für ihren Rauswurf aus dem Elternhaus war meist ihr Coming-out.

Auch mich hat die Meldung, dass fast die Hälfte der jungen Obdachlosen in den USA schwul, lesbisch oder transsexuell sind und von ihren Eltern wegen ihrer sexuellen Orientierung aus dem Haus geworfen wurden, getroffen. So getroffen und aufgewühlt, dass ich darüber heulen musste. Wenn ich als Pädo überhaupt etwas verstehe, dann die Angst vor Abweisungen, die Angst vor Enttäuschungen, die Angst vor Verlust.

Neben der Bestürzung ist mir aber auch noch etwas anderes in den Sinn gekommen: von wem wären die verstoßenen schwulen Jungs in der Vergangenheit wohl aufgenommen, angenommen, versorgt und geliebt worden?

Ich denke es gibt sehr gute Gründe, warum Päderasten früher einmal für Schwule selbstverständlich dazugehörten.

Es gab und gibt vermutlich immer noch viele Schwule, die gute Erinnerungen an ältere Männer haben, mit denen sie als schwule Jungen positive sexuelle Erfahrungen gesammelt haben und von denen sie sich angenommen und geliebt fühlten.

Und einige von ihnen bekamen diese Liebe gerade dann, als niemand sonst sie geliebt hat.

Kritischer Disput

Der Austauch mit dem Melder meiner Webseite ging noch ein wenig weiter, dürfte aber nun zum Ende gelangt sein.

Das ist einfach zu beantworten. Nein, ich würde dich nicht bei deinem Arbeitgeber melden. Auch nicht bei Bekannten oder deiner Familie. Das nennt man Hexenjagd. Mit Aufmerksamkeit hat das nichts zu tun.

Auf das Internet gemünzt, würde dies damit gleichkommen, einen Mob auf deine Seite zu dirigieren. Darum geht es mir aber nicht. Sondern dich dem Betreiber zu melden, damit man ein Auge darauf hat. Weil ich das auch gar nicht beurteilen kann oder will.

Ich weiß nicht wie genau das persönlich ablaufen würde. Eigentlich würde ich wollen dass du dich in psychologische Betreuung begibst. Aus Mangel an Möglichkeiten würde ich dich vermutlich polizeilich melden, damit man dir auf die Finger sieht.

Befindest du dich jedoch bereits in Behandlung, würde ich dich einfach in Ruhe lassen.

Der Punkt ist folgender: Ich weiß nicht ob du einfach versuchst mit deiner Neigung zu leben, und dabei einfach nur ein normaler Mensch sein möchtest, der selbst nicht so sein will oder keine Wahl hat.

Oder ob du ein Pädophiler bist, der versucht seine Neigungen zu normalisieren, und alles mit systemischem Druck und Intoleranz abtut.

Manchmal klingt es eher nach Letzterem. Ich hoffe aber auf Ersteres.

Ich bilde mir auch nicht ein, mich richtig zu verhalten. Es überfordert mich schlicht und einfach, wie man sich in solch einem Falle verhalten sollte.

Eine wirklich befriedigende Lösung gibt es glaube ich nicht. Ich stehe hier wie ein Kind vor einer mathematischen Gleichung, die ich weder verstehe noch auflösen kann

Ps: Ich halte mich nicht für Tolerant. Ich bin kein „Gutmensch“. Aber ich gebe mir Mühe fair zu sein. Das hier ist einfach ein sehr schwieriges Thema. Du findest es schwer ein Pädophiler zu sein. Damit hast du wohl auch recht. Bedenke jedoch dass es auch schwer ist, mit einem Solchen umzugehen.

Ich gebe mir Mühe. Es gibt Menschen die mich dafür hassen würden, weil ich überhaupt mit dir argumentiere und dich als Menschen sehe. Damit mache ich mich nicht gerade beliebt. Da gab es schon andere Fälle, wenn auch immer „nur“ online

Meine Antwort

Ich gestehe dir zu, dass du dir Mühe gibst und um Fairness bemüht bist. Es ist wie du beschrieben hast: es reicht schon mit Pädophilen zu kommunizieren, um negative Reaktionen bis hin zu Hass zu erzeugen. Diese Strahlwirkung zeigt wie stark und irrational die Ablehnung und Ächtung von Pädophilen ist: wer mit einem Unreinen redet wird unrein. In einer sich aufgeklärt wähnenden Gesellschaft sollte es das eigentlich nicht mehr geben. Trotzdem ist es so.

Du hast jetzt schon ein paar Mal die Frage anklingen lassen, ob ich in Behandlung bin. Wenn ja, würdest du mich in Ruhe lassen. Wenn nein, würdest du mich polizeilich melden, damit man mir auf die Finger schaut.

„Der Punkt ist folgender: Ich weiß nicht ob du einfach versuchst mit deiner Neigung zu leben, und dabei einfach nur ein normaler Mensch sein möchtest, der selbst nicht so sein will oder keine Wahl hat. Oder ob du ein Pädophiler bist, der versucht seine Neigungen zu normalisieren, und alles mit systemischem Druck und Intoleranz abtut.“

Diesem Gedanken liegt meiner Einschätzung nach die Auffassung zugrunde, dass man ein „guter“ Pädophiler ist, wenn man seine Neigung furchtbar findet, sich davor ekelt oder dafür schämt und wenn man so besorgt darüber ist, dass man möglicherweise ein Kind missbrauchen könnte, dass man sich proaktiv in Behandlung begibt.

Das sind aber unsiinge Anforderungen. Relevant ist lediglich, dass man kein Kind missbraucht oder missbrauchen will.

Natürlich hatte ich in Bezug auf meine Neigung keine Wahl. Ich hätte sie mir auch sicher nicht ausgesucht. Dass ich pädophil bin, hat mich zeitweise extrem belastet:

Ich war unglücklich verliebt (ohne dass der Junge etwas davon wusste), kam zu der Erkenntnis, dass ich kein erfülltes Leben mit Partnerschaft, Ehe und eigenen Kindern haben kann und wusste nicht, ob meine Eltern und Geschwister (die wichtigsten Menschen in meinem Leben) mich noch lieben würden, wenn sie von meiner Neigung erfahren.

Am schlimsten war die Angst, verstoßen zu werden. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Sein Überleben ist von der Zugehörigkeit und Akzeptanz in einer Gruppe abhängig. Lange bevor Geld erfunden wurde, war die „Währung“ das Ansehen und damit verbunden der Respekt und Rang in der Gruppe. Ausgrenzung und Angst vor Ausgrenzung verursacht soziale Schmerzen und ist wie psychische Folter. Insbesondere der drohende Verlust eines geliebten Menschen ist eine elementare Bedrohung.

Ich habe drei Jahre lang jeden Tag an Selbstmord gedacht. Auch danach war ich noch lange Zeit sehr depressiv. Es hat über ein Jahrzehnt gedauert, bis ich mich davon weitgehend erholt hatte.

Trotzdem ist mein Pädophil-Sein keine Krankheit. Ich will nicht ein normaler Mensch sein. Ich bin ein normaler Mensch.

Abgesehen von meiner „ungewöhnlichen“ sexuellen Neigung bin ich völlig normal. Ich habe sicher ein paar kleine Marotten und Fehler, aber nicht mehr als andere auch. Ich bin kein Soziopath und habe auch keine Probleme mit der Trieb- oder Impulskontrolle. Ich wünsche mir nicht, jemanden zu missbrauchen. Ich habe keine Gewaltphantasien. Auch die Vorstellung Macht über einen anderen zu haben, erregt mich nicht. Ich bin der Meinung, dass man seine Mitmenschen gut behandeln sollte und finde Kinder besonders schützenswert.

Meine Neigung macht mich so wenig zu einem Kinderschänder, wie ein heterosexueller Mann wegen seiner Neigung ein Vergewaltiger ist. Natürlich habe ich im Gegensatz zum typischen heterosexuellen Mann nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, meine Sexualität auszuleben. Aber nur weil jemand arm ist, wird er noch lange nicht zum Dieb.

Wenn ich einen toll aussehenden Jungen sehe, kann es mir passieren, dass ich eine spontane Erektion bekomme – so wie es dir passieren kann, dass du eine spontane Erektion bekommst, wenn du eine toll aussehende Frau siehst. Körperliche Anziehung funktioniert bei mir genauso wie bei dir, nur dass es eben eine andere Art Mensch ist, von der ich mich angezogen fühle.

Körperliche Anziehung kann dazu führen, dass man sich verliebt. Auch da gelten für mich die gleichen Spielregeln, wie für alle anderen verliebten Menschen. Wenn ich mich in einen Jungen verliebe, wird er für mich zum wichtigsten Menschen der Welt und ich würde nie freiwillig etwas tun, das ihm schaden könnte.

Meine Selbstmordgedanken und meine Depression wären behandlungsbedürftig gewesen. Meine Pädophilie ist es nicht. Daran, dass ich pädophil bin, kann man ohnehin nichts ändern. Dieser Umstand ist nicht behandelbar. Auch die Therapeuten von „Kein Täter werden“ behandeln ihre Klienten nicht mit dem Ziel, sie von ihrer Pädophilie zu heilen, da sie wissen, dass das gar nicht möglich ist. Sie behandeln stattdessen darauf, dass der Pädophile lernt seine Neigung zu akzeptieren und zu kontrollieren. Da ich meine Neigung bereits akzeptiert habe und nie ein Problem hatte sie zu kontrollieren, brauche ich diese Art von Behandlung nicht.

Ich war nie der Meinung, dass mich mein Pädophil-Sein zu einem schlechten Menschen macht, oder dass die Gefahr bestünde, dass ich meine sexuellen Bedürfnisse auf Kosten eines anderen Menschen befriedige.

Trotzdem hat mich mein Pädophil-sein in eine existentielle Krise gestürzt, in der sogar mein Überleben in Frage gestellt war. Ich habe diese Krise zwar überwunden, wenn ich aber heute einen Blog schreibe, dann liegt das auch daran, dass mich die Ausgrenzung als Pädophiler aktuell wieder relativ stark belastet und ich mich auf diese Weise damit auseinandersetzen kann.

Zum Abschluss:

Ich verurteile Missbrauch persönlich und in meinem Blog konsequent. Anders als die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung bin ich aber nicht der Meinung, dass jeder sexuelle Kontakt mit einem noch nicht 14jährigen Wesen zwangsweise Missbrauch darstellt.

Ich halte es für evident und unbestreitbar, dass ein 13jähriger in einen sexuellen Kontakt mit einem anderen 13jährigen einwilligen kann und diesen Kontakt als schön und bereichernd empfinden kann. Wenn ein 13jähriger in einen sexuellen Kontakt mit einem 13jährigen einwilligen kann, kann er auch in einen sexuellen Kontakt mit einem 14jährigen oder einem 16jährigen oder einem 30jährigen einwilligen.

Der Kontakt wird nicht lediglich deshalb schlecht, weil sich das Alter des Beziehungspartners ändert, sondern dann, wenn ein Beziehungspartner den anderen schlecht behandelt. Über die Qualität des Kontaktes entscheidet nicht das Alter, sondern die Freiwilligkeit und das Verhalten: Missbrauch ist, wenn ein Mensch einen anderen Menschen schlecht behandelt. Wenn das nicht der Fall ist, ist es kein Missbrauch.

Diese Haltung wird überwiegend als Selbstbetrug oder Verharmlosung von Pädophilie interpretiert (bzw. diffamiert). Eine sinnvolles und logisch schlüssiges Argument dagegen hat mir aber noch niemand liefern können.

Natürlich kann dir dieses Argument niemand liefern. Weil die meisten Menschen zu befangen dafür sind. Selbige gilt ebenso für mich. Für gewöhnlich halte ich mich für einen analytischen Menschen. Hier stoße ich jedoch an meine Grenzen. Es fällt mir sogar schwer überhaupt darüber zu diskutieren. Ich habe kein Problem damit meine Irritation einzugestehen.

Mir ging es übrigens nicht darum, dass der Psychologe dich von deiner Pädophilie heilen soll.

Sondern darum dass er dir hilft damit umzugehen, ohne damit Anderen zu schaden.

Das impliziert auch dass ich nicht glaube, dass ein Kind wirklich freiwillig sexuellen Kontakt will.

Es ist ebenso etwas das ich als widerwärtig empfinde. Weil das Kind gar nicht weiß worauf es sich da einlässt.

Genau hier tritt eine Relativierung in Kraft, bei der es nicht mehr nur darum geht, dass auch du ein Recht auf Lebensqualität hast. Sondern darum dass es ja auch kleine Schlupflöcher gibt, bei Gelegenheiten zu denen Kinder Spaß daran haben. Hier geschieht die geistige Übertretung.

Pädophilie mag keine Krankheit sein. Aber das ist eigentlich ein semantisches Problem. Die sexuelle Neigung zu Minderjährigen ist nichts normales. Du bist auch kein normaler Mensch.

Das ist keine Herabsetzung wie du sie sehen willst. Ein psychisch Kranker ist auch kein normaler Mensch. Dennoch ist er ein menschliches Wesen.

Natürlich ist der reine Trieb noch kein Tatbestand. Aber die Fantasie ist ein Anreiz zum Versuch.

Alles Andere ist intellektuelles Larifari. Sollte man dich deswegen einsperren? Nein, sollte man nicht. Aber es als harmlos abzutun ist fahrlässig.

Du bist kein normaler Mensch. Egal ob du das hören willst oder nicht. Sondern ein Mensch mit einem Problem. Ein Problem in Form eines Triebes der nicht sein darf.

Natürlich begegnet man dir mit Ächtung und Sonstigem. Was ich bei Pädophilie völlig vernünftig finde. Du wünscht dir verdammt nochmal Sex mit Kindern! Wenn das nicht falsch ist, was ist dann in dieser Welt noch falsch?

Das bedeutet nicht ich würde dir den Tod wünschen, solange du niemandem etwas zu Leide tust. Aber ich werde den Teufel tun und das hier verharmlosen.

Es klingt auch so als willst du keine Hilfe. Sondern so sein dürfen wie du eben bist. Weil es in deiner Natur liegt. Das ist vermutlich auch wirklich so. Was aber nichts daran ändert dass es falsch bleibt.

Der Wunsch nach Sex mit Kindern ist nichts harmloses. Diese Diskussion sollten wir nun beenden, da sie niemals auf einen grünen Zweig kommen werden. Was jedoch auch absehbar gewesen ist.

Denn du wirst immer pädophil bleiben. Ich werde Pädophilie nie als normal ansehen. Es gibt keine Lösung. Nur präventive Maßnahmen.

Ehrlichkeit ist alles was ich anzubieten habe. Jedoch bedanke ich mich für das Gespräch. Es war unangenehm und belastet mich. Jedoch war es auch lehrreich

Finale Antwort dazu:

„Die sexuelle Neigung zu Minderjährigen ist nichts normales.“

Die sexuelle Neigung zu Minderjährigen ist nicht so unnormal, wie du meinst. Die meisten heterosexuellen Männer sind durch Mädchen in der Pubertät sexuell erregbar. Aus Sicht der Natur, der es um Fortpflanzung geht, ist der entscheidende Zeitpunkt die Geschlechtsreife. Das Durchschnittsalter der ersten Regel liegt bei 12.5 Jahren.

Der zweithäufigste Suchbegriff auf Pornoseiten ist „teen“.

Das hat mit Pädophilie nach wissenschaftlicher Definition wenig zu tun, da Pädophilie eigentlich nicht die sexuelle Erregbarkeit durch Minderjährige, sondern durch vorpubertäre, also nicht geschlechtsreife Kinder bezeichnet. In diesem Sinne bin ich nicht pädophil. Mich interessieren Jungen im Alter von 10-14 Jahren. Das ist eher Päderastie als Pädophilie.

Aber auch Päderastie ist nicht völlig unnormal. In der griechischen Antike war sie jahrhundertelang völlig üblich und es galt für einen Jungen als Schande keinen päderastischen Liebhaber und Mentor zu haben.

In Japan gab es vom 12. Jahrhundert bis zum Niedergang der Samurai-Kultur im 19. Jahrhundert Wakashudō, den „Weg der Jünglinge“, der ein erotisches Lehrer-Schüler-Verhältnis bezeichnet, das zentraler Bestandteil der Ausbildung eines jungen Mannes zum Samurai war. Zu Beginn des Wakashudō war der Schüler in der Regel zwischen 10 und 13 Jahre alt.

Wenn dasselbe Phänomen in unterschiedlichen Kulturen und zu unterschiedlichen Zeitepochen auftrat, handelt es sich nicht um einen „Ausrutscher“, sondern um eine im Prinzip normale Ausprägung innerhalb des menschlichen Verhaltensspektrums.

„Du bist auch kein normaler Mensch.“

Wenn man nur die Sexualität alleine betrachtet, bin ich tatsächlich nicht normal. Ich bin aber nicht meine sexuelle Orientierung. Sie ist wichtig und bedeutsam, sie macht mich als Mensch aber nicht aus. Wenn man die Gesamtheit meiner Person unter Ausklammerung lediglich der Aspekts der sexuellen Orientierung betrachtet, bin ich ziemlich normal.

Was mich als Mensch (meiner Meinung nach) ausmacht, ist mein Charakter, mein Temperament, meine Empathie, meine Art zu denken, mein Entscheidungsstil. Diese Eigenschaften, nicht meine sexuelle Erregbarkeit entscheiden darüber, wie ich andere Menschen behandele.

Ich interpretiere „normal“ also anders als du. Wenn ich nicht normal bin, ist es ein Homosexueller, eine Lesbe, ein Transsexueller oder ein Bisexueller auch nicht. Es gibt viele Menschen, die Homosexuelle, Lesben, Transsexuelle oder Bisexuelle tatsächlich nicht für normal halten. Es gibt aber (zum Glück) inzwischen auch viele Menschen, die sie für „normal genug“ halten.

„Natürlich ist der reine Trieb noch kein Tatbestand. Aber die Fantasie ist ein Anreiz zum Versuch. Alles Andere ist intellektuelles Larifari.“

Ich wünsche mir nicht einfach Sex mit einem Jungen zu haben (Mädchen interessieren mich sexuell gesehen nicht), sondern ich wünsche mir Sex mit einem Jungen zu haben, der seinerseits Sex mit mir haben möchte.

Natürlich sind die Chancen darauf recht gering. Ich dränge mich als mögliche Option für einen an Sex interessierten Jungen ja nicht gerade auf. Ein anderer Junge oder ein Mädchen dürfte in aller Regel interessanter sein. Also bleibt es wohl bei dem Wunsch.

Ein hierzu passendes Gedicht von Pantherion:

Frommer Wunsch

Will jemand sich an mir vergehen,
dann soll er bitte so aussehen:
Ein Junge von zwölf oder dreizehn Jahren,
am liebsten mit blonden, wallenden Haaren,
mit strahlenden Augen blau,
vielleicht auch grün oder grau.
Mit kecken roten Lippen
und unanständigen Blicken.
Ich denke, da würde ich nicken.
Will so jemand sich an mir vergehen:
Es möge geschehen!


Den Wunsch gegen den Willen eines Jungen Sex mit ihm zu haben, habe ich nicht. Und da ich diesen Wunsch und diese Fantasie nicht habe, droht auch kein Versuch. Ich vermute (und hoffe), dass du auch nicht den Wunsch hast gegen den Willen einer Frau Sex mit ihr zu haben.

„Du bist kein normaler Mensch. Egal ob du das hören willst oder nicht. Sondern ein Mensch mit einem Problem. Ein Problem in Form eines Triebes der nicht sein darf. Natürlich begegnet man dir mit Ächtung und Sonstigem. Was ich bei Pädophilie völlig vernünftig finde. Du wünscht dir verdammt nochmal Sex mit Kindern! Wenn das nicht falsch ist, was ist dann in dieser Welt noch falsch?“

Natürlich ist meine Pädophilie (für mich korrekter: Päderastie) ein Problem. Sie ist mit erheblichen Einschränkungen verbunden.

Dass der Trieb nicht sein darf, ist aber keine naturgemäße Gesetzmäßigkeit, sondern ein aktuelles kulturelles Phänomen. Es gab – worauf ich ja bereits an anderer Stelle hingewiesen habe – durchaus jahrhundertelang Epochen in verschiedenen Teilen der Welt, zu denen mein Trieb problemlos hätte sein dürfen und zu denen mir damit kein Nachteil entstanden wäre. Seelische Krüppel hat weder die griechische Antike, noch das japanische Mittelalter aus den zahllosen davon betroffenen Jungen-Generationen gemacht.

Wenn wir die Uhr mal 60 Jahre zurück drehen, hättest du im Jahr 1959 an einen Schwulen gerichtet sagen können: „Du wünschst dir verdammt nochmal Sex mit einen anderen Mann! Wenn das nicht falsch ist, was ist dann in dieser Welt noch falsch?“

Entscheidend ist, ob die Personen, die miteinander Sex haben, das wollen. Wenn ja, ist alles OK und es sind auch keine Schäden zu erwarten. Wenn nein, ist es ein großes Problem.

„Es klingt auch so als willst du keine Hilfe. Sondern so sein dürfen wie du eben bist. Weil es in deiner Natur liegt. Das ist vermutlich auch wirklich so. Was aber nichts daran ändert dass es falsch bleibt.“

Eigentlich hatten wir das schon. Du sagst ja selbst: „Mir ging es übrigens nicht darum, dass der Psychologe dich von deiner Pädophilie heilen soll. Sondern darum dass er dir hilft damit umzugehen, ohne damit Anderen zu schaden.“

Diese Hilfe benötige ich nicht. Ich habe bereits gelernt mit meiner Neigung umgehen und es besteht keine Gefahr, dass ich Anderen damit schade. Nur nebenbei bemerkt habe ich auch schon ein paar Jahrzehnte Leben hinter mich gebracht, ohne jemandem mit meiner Neigung geschadet zu haben.

Natürlich will ich so sein und so sein dürfen, wie ich nun mal bin. Das ist auch völlig legitim und hat nichts mit Handlungen zu Lasten Dritter zu tun. Ich will mein „so-sein-wie-ich-nun-mal-bin“ nicht zu Lasten anderer ausleben. Du kannst schließlich auch nicht mit jeder Frau ins Bett hüpfen, die dich sexuell anspricht. Die Frau muss es erst mal wollen.

„Der Wunsch nach Sex mit Kindern ist nichts harmloses.“

Der Wunsch nach Sex mit Kindern ist durchaus harmlos. Potentiell nicht mehr harmlos ist lediglich der Versuch der Umsetzung. Zwischen Wunsch und Umsetzung liegen Welten.

„Diese Diskussion sollten wir nun beenden, da sie niemals auf einen grünen Zweig kommen werden. (…) Jedoch bedanke ich mich für das Gespräch. Es war unangenehm und belastet mich. Jedoch war es auch lehrreich.“

Auch ich bedanke mich für das Gespräch, deine Bereitschaft zur Diskussion und deine Offenheit.


Mein Fazit

Was hat die Diskussion gebracht? Vermutlich nichts.

Aber am Anfang von Verständigung steht Kommunikation. Immerhin hatte ein Normalo direkten Kontakt mit einem Pädophilen, statt nur aus der Zeitung von Pädos als Kinderschändern zu lesen. Im Sinne von Kommunikation hat der Austausch auch gut funktioniert und kam ohne gröbere Beleidigungen oder verbale Übergriffe aus.

Vielleicht konnte ich ja sogar ein paar der Vorurteile zu Pädos aufweichen und abschwächen. An der Wahrnehmung von Pädos als potentielle Gefahr für Kinder konnte ich aber offensichtlich nichts ändern. Das wäre aber ohnehin keine realistische Erwartung an das Ergebnis des Austauschs gewesen.