Der alte Mann, der einmal ein Junge war

Am 20.02.2013 fand eine öffentliche Podiumsdiskussion in der Reihe Denkcafé des Arminius Konferenz- und Debattenzentrums in Rotterdam zum Thema Pädophilie statt.

Die Moderation übernahm Mirella van Markus, eine erfahrene TV-Moderatorin der Nachrichtensendung Hart van Nederland des Senders SBS6.

An der Debatte nahmen ein Polizist, ein Sexualwissenschaftler, ein Psychologe, ein Soziologe für Schwule Studien an der Universität Amsterdam und Marthijn Uittenbogaard, ein pädophiler Aktivist, teil.

Am Ende der Debatte durfte sich das Publikum zu Wort melden. Die letzte Wortmeldung kam von einem alten Mann, der einmal ein Junge war. Einer der sich noch daran erinnerte, wie das war, es in seinem Herzen bewahrt hat und das offene Wort wagte:

Ich möchte zwei Dinge sagen. Als ich dreizehn war und die Sexualität entdeckte, war ich ständig auf der Suche nach jemandem, mit dem ich ins Bett gehen konnte. Und irgendwann habe ich das gefunden. Er war vierzig Jahre alt und es war großartig. Das war so wichtig für mich. Das ist Punkt eins. Und die andere Sache, die ich sagen möchte: Ich bin schwul, ich durfte lange Zeit nicht sein, wer ich war, und ich hoffe, dass sich jeder vorstellen kann, wie es ist, wenn man nicht sein kann, wer man ist. Wenn du eine Frau liebst: und du darfst keine Frau lieben. Wenn du einen Mann liebst: und du darfst keinen Mann lieben. Und da haben wir die Pädosexuellen, die das gleiche Problem haben, wie ich in meiner Jugend. Sie dürfen nicht fühlen, was sie fühlen, sie dürfen nicht zärtlich sein, zu dem sie zärtlich sein wollen. Dass Missbrauch furchtbar ist, da stimme ich völlig zu, aber wir müssen uns sehr bemühen, diese Menschen in der Situation, in der sie sich befinden, zu unterstützen und versuchen, sie zu verstehen. [das Publikum klatscht]

Übersetzung des Transskripts von http://www.brongersma.info
(herzlichen Dank für den Link an Marthijn Uittenbogaard!)

Für alle, die dem Niederländischen folgen können, hier das Video der gesamten ca. zweistündigen Podiumsdiskussion. Ich habe zwar versucht einen „Timestamp“ im verlinkten Video zu setzen, dies scheint aber bei der Verlinkung verloren zu gehen. Die zitierte Wortmeldung beginnt bei 1:52 und 7 Sekunden. Mit dem Schieberegler-Bedienelement im Video kann man relativ leicht an diese Stelle springen.

Ich bin sehr, sehr dankbar dafür, dass dieser mutige Mann bereit war, sich in die Diskussion einzubringen.

Seine Worte sind ein Tabubruch. Es gilt heutzutage als skandalös und unerhört, die Möglichkeit von sexueller Einvernehmlichkeit zwischen einem Jungen und einem Mann auch nur in den Raum zu stellen.

Der Mann aus dem Publikum hat die real existierende Wirklichkeit dieser Einvernehmlichkeit aus unmittelbarer eigener Erfahrung eindeutig bejaht. Er unterscheidet klar zwischen Missbrauch und Liebe und erinnert daran , wie schwer es für einen Menschen ist, nicht sein zu dürfen, wer man ist und nicht lieben zu dürfen, wen man zu lieben bestimmt ist.

Der Mann aus dem Publikum hat es nicht getan, weil er es musste, oder weil er selbst etwas davon gehabt hätte, sondern weil er wusste, dass es richtig war.

Es war ein sehr wichtiger und wertvoller Beitrag, zumal man hier auch nicht nur liest, dass jemand etwas gesagt haben soll, sondern weil man hier die Möglichkeit hat, es direkt aus dem Mund eines Betroffenen zu hören.

Jeder, der als Kind eine positive Erfahrung mit einem Erwachsenen gemacht hat und es wagt das Tabu zu brechen und die Wahrheit seiner Erfahrung auszusprechen, ob unter Freunden, in einer Diskussionsrunde oder gegenüber einem Journalisten, macht den Menschen, die so fühlen und lieben wie sein ehemaliger großer Freund, ein großes und kostbares Geschenk.

Ein Kommentar zu „Der alte Mann, der einmal ein Junge war

  1. Sowas braucht man in Deutschland, wenn sich in diese Hinsicht noch was ändern wird.

    Dazu muss man die Medien erobern, damit Deutschland seine eigene Stimme hört, um etwas zu verändern, zumindest versucht man dies.

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