Pädo-Aktivist stirbt in Sicherheitsverwahrung

Am 14. Januar berichtete die britische Boulevardzeitung SUN (2.96 Millionen Leser) über einen Covid-Todesfall.

Aus dem Artikel (eigene Übersetzung):

PÄDO-TOD

Einer der schlimmsten Pädophilen Großbritanniens, der das Schutzalter abschaffen wollte, stirbt an Covid.

Das Monster Steven Freeman, 66, wurde letzten Monat ins Krankenhaus eingeliefert, nachdem er sich das Coronavirus eingefangen hatte. Der berüchtigte Anführer der abscheulichen Gruppe „Paedophile Information Exchange“ saß im Bure Gefängnis in der Nähe von Norwich ein. Freeman wurde am 17. Dezember positiv auf das Virus getestet und sein Gesundheitszustand verschlechterte sich schnell. Er wurde drei Tage später in das Norfolk and Norwich University Hospital verlegt.

Wirklich abscheulich

Eine Quelle sagte: „Er wird nicht vermisst werden. Er war der Anführer einer wirklich abscheulichen Organisation.“

Freeman leitete den Paedophile Information Exchange (Pie), der sich für die Abschaffung des Schutzalters einsetzte. (…)

Freeman wurde 2011 inhaftiert, nachdem 3.000 „abscheuliche“ Zeichnungen in seinem Haus im Süden Londons gefunden worden waren. Die Polizei, die eine Razzia in seinem Haus in Bellingham durchführte, fand heraus, dass er Bilder von der Vergewaltigung von Kindern gezeichnet hatte.

Ein Sprecher des Prison Service sagte: „HMP Bure Häftling Steven Freeman starb im Krankenhaus starb am 5. Januar.“ (…)

Nachdem er sich vor den Strafgerichtshof schuldig bekannt hatte, wurde Freeman die erste Person, die für das Anfertigen von Zeichnungen von vergewaltigten Kindern verurteilt wurde.

Er wurde zu einer Mindeststrafe von 30 Monaten verurteilt, nachdem er zugegeben hatte, unanständige Bilder zu besitzen, verbotene Zeichnungen zu haben, unanständige Bilder zu verbreiten und das Passwort für einen verschlüsselten Computer nicht preisgegeben zu haben.

Die Bilder wurden im Strafgerichtshof als „abscheulich und ekelerregend“ beschrieben und gehörten zu den schlimmsten, die die Polizei gesehen hatte.

Im Rahmen des IPP-Verfahrens (= Imprisonment for public protection = Sicherheitsverwahrung) müssen Gefangene eine Mindeststrafe verbüßen und können dann beim Bewährungsausschuss ihre Freilassung beantragen. Allerdings müssen sie das Gremium davon überzeugen, dass sie keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellen. Es ist nicht bekannt, ob Freeman einen Antrag auf Bewährung gestellt hat und dieser abgelehnt wurde. Bei IPP-Strafen gibt es keinen Höchstdauer.

Ungefähr 14.500 Bilder und Filme wurden auf Computerdisketten in Freemans Haus und an der Adresse von zwei Mitgliedern seines Pädophilenrings gefunden. Die Ermittler glauben, dass Zehntausende weitere auf verschlüsselten Computerfestplatten gespeichert waren, auf die sie bisher keinen Zugriff hatten. Beamte des Dezernats für Kindesmissbrauch fanden auch Computerspiele, bei denen die Spieler versuchten, so viele Kinder wie möglich zu missbrauchen. Drei andere wurden im Juli 2011 ebenfalls zu Haftstrafen verurteilt.

Ich bin auf diesen Fall aufmerksam geworden, weil die Aktivistenseite krumme13 darüber berichtete und sich dabei wiederum auf Artikel im Blog von Tom O‘Caroll berief, bis 1979 Vorgänger von Steven Freeman als Vorsitzender der Aktivistengruppe PIE.

In O‘Carolls (englischsprachigen) Artikel „Das grausame Märtyrium des Steven Freeman“ wird deutlich, dass es sehr wohl Menschen gibt, die Steven Freeman (der als Steven Smith geboren wurde) vermissen.

In einem Kommentar auf diesen Artikel meldete sich auch eine italienische Literaturwissenschaftlerin zu Wort, die Freeman seit Dezember 2014 bis zu seinem Tod Briefe und Postkarten ins Gefängnis schrieb und sich für seine Freilassung einsetzte.

Er hat ihr leider nie geantwortet. Sie erhielt inzwischen von der Familie des Verstorbenen aus dem Nachlass einen Antwortbrief an sie, den Freeman begonnen aber dann doch nicht abgeschickt hatte. Es ist unklar, ob der Briefverkehr von der Gefängnisleitung verboten wurde. Es scheint jedenfalls so zu sein, dass den Insassen nahegelegt wird, keinen Kontakt mit der Außenwelt zu pflegen.

Dass die Frau auf Freeman aufmerksam wurde und sich so engagiert für ihn einsetzte, steht wohl im Zusammenhang mit einem Schreibwettbewerb von PEN im Jahr 2012 für britische Gefängnisinsassen, den Freeman gewann. Die eingereichte Geschichte wurde 2013 zusammen mit ausgewählten anderen Wettbewerbsbeiträgen im Buch „The Gates of Ytan – and other stories“ veröffentlicht. Freemans Beitrag „The Gates of Ytan“ lieh dem Buch seinen Titel. Das Erscheinungsdatum des Buches passt recht gut zum Zeitpunkt des ersten Briefes der Frau an Freeman.

Ein anderer Mensch, der Freeman vermisst, hat im Forum Boychat über ihn geschrieben (eigene Übersetzung):

Er wird nicht vermisst werden“

Da der Satz der Daily Mail „Er wird nicht vermisst werden“ anscheinend die einzige öffentliche Äußerung über den Wert von Steve Smiths Leben ist, fühle ich mich als jemand, der ihn gut, wenn auch nur kurz, kannte, verpflichtet, das Gegenteil auf das Schärfste zum Ausdruck zu bringen.

Er war meine Einführung in unsere kleine intellektuelle Welt, von der sich das Boychat-Forum für mich als der beständigste Teil erwiesen hat. Es war vor etwas mehr als zehn Jahren, und ich begann gerade, einen Roman über Jungenliebe zu schreiben. Ich kannte keine Jungenliebhaber und wusste, dass ich über einige der unglücklicheren Lebensumstände, über die ich zu schreiben mich verpflichtet hatte, beklagenswert unwissend war. Mit beträchtlichen Bedenken fand ich ein Forum und trat ihm bei, verbrachte etwa zwei Stunden damit, Beiträge zu lesen und schickte dann eine Antwort an den einen Poster, der sich durch Witz, Originalität und Gelehrsamkeit von allen anderen abhob.

Ich erhielt prompt die Antwort „Schick mir eine PM“ (PM = personal message = persönliche Nachricht), was ich auch tat. Es folgten mehrere Monate, in denen wir an den meisten Tagen vier oder so Stunden damit verbrachten, uns über Skype zu unterhalten. Diese gehörten definitiv zu den anregendsten, die ich je in meinem Leben hatte. Und dann wurde er vom Staat entführt, der offensichtlich in seiner darauf folgenden Verantwortung, ihn zu schützen, auf einzigartige Weise versagt hat.

Tom O’Carroll hat Steves künstlerische Fähigkeiten erwähnt, aber nicht die Originalität und den Witz, die sowohl seine Konversation als auch sein Schreiben durchzogen und beides grenzenlos faszinierend und lustig machten. Die Tragik seines Schreibens war, dass er nie etwas zu beenden schien, denn ich werde die vielen unvollendeten Schriften, die er mir schickte, immer in Ehren halten. Was für eine tragische Verschwendung, dass ein Jahrzehnt seines Lebens und das, was er an Ideen zu bieten hatte, uns allen gestohlen wurde.

Was in der Schilderung seines Untergangs fehlt, ist, dass es seine Integrität war, die der Schlüssel dazu war. Andere kamen im Vergleich zu ihm sehr glimpflich davon, indem sie die notwendigen Kompromisse mit dem allmächtigen Staat eingingen, aber obwohl er sich der schrecklichen Konsequenzen voll bewusst war, gehörte Steve zu jenen Charakteren, die es nahezu unmöglich fanden, das, was er im Kern seines Wesens für schön, gut und wahr hielt, als schändlich, schmutzig und falsch anzuerkennen.

Es war dieses Wissen, das er mir als einem bis dahin Unwissenden vermittelte, dass zumindest ein Jungen-Liebhaber ein Mann von überragender moralischer Integrität war, sowie brillant anregend und lustig, was mich inspirierte, andere kennenzulernen, und der Grund ist, warum ich bis heute hier schreibe.

Ich bin mit der Aktivistengruppe PIE nicht sehr vertraut. Sie war längst zerschlagen bevor ich erwachsen wurde.

Im Wikipedia-Artikel zu Tom O‘Caroll habe ich erfahren, dass er 1981 wegen der Kontaktrubrik des PIE Magazins zu einer zweijährigen Haftstrafe wegen „Verschwörung zur Korrumpierung der Öffentlichen Moral“ verurteilt wurde.

Um was es sich dabei handelte, stellte sich im Wikipedia-Artikel zu PIE heraus (eigene Übersetzung):

PIE wurde gegründet, um für Akzeptanz und Verständnis von Pädophilie zu werben, indem man streitbare Dokumente produzierte. Zu den formell definierten Zielen gehörte aber auch, Pädophilen, die dies wünschten, Rat und Hilfe zu geben und Pädophilen eine Möglichkeit zu bieten, miteinander in Kontakt zu treten.

Zu diesem Zweck hielt sie regelmäßige Treffen in London ab, hatte aber auch eine „Kontaktseite“ in Magpie, einem Bulletin, in dem die Mitglieder Anzeigen aufgaben, in denen sie ihre Mitgliedsnummer, ihren allgemeinen Wohnort und kurze Angaben zu ihren sexuellen und anderen Interessen machten. Die Antworten wurden von PIE wie bei einem Chiffre-System gehandhabt, so dass die Korrespondenten nicht identifizierbar waren, bis sie sich entschieden, ihre eigenen Details auszutauschen. Da der Zweck dieser Kontaktseite darin bestand, Pädophilen die Möglichkeit zu geben, miteinander in Kontakt zu treten, wurden Anzeigen, die implizierten, dass Kontakt mit Kindern gesucht wurde, und Anzeigen für Erotika abgelehnt. Auszüge aus diesen Kontaktseiten wurden von der News of the World wiederveröffentlicht. In Ermangelung jeglicher Beweise für sexuellen Kindesmissbrauch wurden diese Kontaktanzeigen in Magpie als Teil einer „Verschwörung zur Korrumpierung der öffentlichen Moral“ betrachtet.

Von dem Verfahren wegen der Kontaktanzeigen war auch Steven Freeman betroffen. Er war vor der Verhandlung auf Kaution freigelassen und nutzte das für die Flucht in die Niederlande, wo er politisches Asyl beantragte.

Sechs Jahre später wurde der Antrag endgültig ablehnt, ebenso aber der britsche Auslieferungsantrag, da es im niederländischen Recht keine zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfe koorrespondierende Straftatbestände gab.

Freeman wurde abgeschoben, nachdem die britischen Behörden versicherten, dass es keine offenen Anschuldigungen mehr gegen ihn gäbe. Bei seiner Ankunft wurde er sofort verhaftet. Das führte zwar zu Aufsehen im niederländischen Parlament, den britischen Behörden war es aber egal. Es kam zum Prozess, Freemans Verurteilung und einer ersten Gefängnisstrafe.

2008 geriet Freeman erneut in den Fokus der Polizei. Es gab eine Hausdurchsuchung und eine Anzeige wegen Besitz unanständiger photographischer Bilder. Vermutlich handelte es sich um Posing-Bilder, die in Deutschland seit 2015 als Kinderpornographie gelten.

Bei der Hausdurchsetzung wurden auch 3.000 erotische und pornographische Zeichnungen entdeckt, die Freeman, der wohl auch ein talentierter Zeichner war, selbst angefertigt und mit anderen geteilt, nicht aber veröffentlicht hatte. Da die Zeichnungen damals nicht strafbar waren, gab es hier für die Polizei keine Eingriffsmöglichkeit.

Die Strafbarkeit auch von Zeichnungen wurde 2010 allerdings eingeführt. Gut eine Woche danach folgte eine zweite Hausdurchsuchung. Die Zeichnungen wurden beschlagnahmt und Freeman der Prozess gemacht.

Die Internet Watch Foundation, eine halbstaatliche Stiftung, die sich der Bekämpfung von Missbrauchsdarstellungen im Internet verschrieben hat, beschreibt das Verfahren als Präzedenzfall (eigene Übersetzung):

R gegen Freeman: Dies ist die erste Strafverfolgung unter dem Coroners and Justice Act Section 64 (2009) für diese Art von nicht-fotografischen Kindesmissbrauchsinhalten.

Dies ist die erste Strafverfolgung unter dem 2009 Coroners and Justice Act Section 64 (2009) für diese Art von nicht-fotografischen Kindesmissbrauchsinhalten.

Im Juli 2011 errang Scotland Yard einen bahnbrechenden Sieg, nachdem Steven Freeman (57) wegen der Anfertigung unsittlicher Zeichnungen von Kindern verurteilt wurde. In diesem Fall beinhalteten die Zeichnungen Kinder, die vergewaltigt wurden. Dies ist die erste Strafverfolgung nach dem Coroners and Justice Act Section 64 (2009) für diese Art von nicht-fotografischen Kindesmissbrauchsinhalten. Etwa 3.000 Zeichnungen wurden im Haus von Freeman gefunden, wo die Bilder auch mit anderen Mitgliedern von Freemans pädophilem Netzwerk (PIE – Pedophile Information Exchange) ausgetauscht wurden, die Bilder gemeinsam nutzten und damit handelten. Freeman wurde zu einer unbestimmten Haftstrafe mit einer Mindestdauer von 30 Monaten verurteilt. 4 weitere Mitglieder derselben Gruppe wurden ebenfalls zu Haftstrafen zwischen 12 und 24 Monaten verurteilt.

Ursprünglich hatte die Polizei bereits 2008 eine Razzia in Freemans Haus durchgeführt und Freeman wegen des Besitzes unsittlicher Fotos angeklagt. Da das Gesetz von 2009 jedoch noch nicht in Kraft getreten war, konnten keine konkreten Maßnahmen gegen die Zeichnungen ergriffen werden. Nachdem das Gesetz in Kraft getreten war, kehrte die Polizei zu Freemans Haus zurück und stellte das Verfahren gegen ihn sicher. Obwohl die Bilder nicht online gestellt wurden, zeigt dies, dass es eine Straftat ist, im Besitz dieser Art von Inhalten zu sein und sie zu verbreiten.

Im englischen Sprachgebrauch gilt jeder Geschlechtsverkehr mit einem Minderjährigen als Vergewaltigung. Auf die Freiwilligkeit kommt es nicht an. Ich gehe davon aus, dass es sich bei den Zeichnungen um Darstellungen von einvernehmlichem Sex handelte.

Bei der erwähnten „unbestimmten Haftstrafe“ handelt es sich um eine inzwischen abgeschaffte britische Variante der Sicherheitsverwahrung.

Aus Wikipedia (eigene Übersetzung):

Freiheitsstrafe zum Schutz der Öffentlichkeit

In England und Wales war die Freiheitsstrafe zum Schutz der Öffentlichkeit (IPP) eine Form der unbestimmten Strafe, die durch s.225 des Criminal Justice Act 2003 (mit Wirkung ab 2005) vom Innenminister David Blunkett eingeführt und 2012 abgeschafft wurde. Sie sollte die Öffentlichkeit vor Straftätern schützen, deren Verbrechen nicht schwer genug waren, um eine normale lebenslange Haftstrafe zu verdienen, die aber als zu gefährlich angesehen wurden, um nach Ablauf der ursprünglichen Strafe entlassen zu werden. Sie besteht aus einem Straf-„Tarif“, der der Schwere des begangenen Verbrechens angemessen sein soll, und einer unbestimmten Zeitspanne, die nach Ablauf des Tarifs beginnt und so lange dauert, bis der Bewährungsausschuss entscheidet, dass der Gefangene keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellt und entlassen werden kann. (…) Obwohl es keine Begrenzung gibt, wie lange Gefangene unter IPPs inhaftiert werden können, und einige möglicherweise nie entlassen werden, können sie nach einer Überprüfung entlassen werden; eine IPP-Strafe ist keine Verurteilung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit einem lebenslangen Tarif.

Im Jahr 2007 entschied die Queen’s Bench Division des High Court, dass die fortgesetzte Inhaftierung von Gefangenen, die IPPs nach Ablauf des Tarifs verbüßen, wenn die Gefängnisse nicht über die erforderlichen Einrichtungen und Kurse verfügen, um ihre Eignung für die Entlassung zu beurteilen, rechtswidrig ist, was die Sorge aufkommen ließ, dass viele gefährliche Straftäter freigelassen werden. Im Jahr 2010 kam ein gemeinsamer Bericht der Chefinspektoren der Gefängnisse und der Bewährungshilfe zu dem Schluss, dass IPP-Strafen angesichts der Überbelegung der britischen Gefängnisse unhaltbar sind.

Im Jahr 2012 wurde die IPP-Strafe für neue Fälle durch den Legal Aid, Sentencing and Punishment of Offenders Act abgeschafft, obwohl mehr als 6.000 Gefängnisinsassen weiterhin zum Schutz der Öffentlichkeit inhaftiert waren; im Juni 2015 waren es noch mehr als 4.600, und im Jahr 2017 waren es noch mehr als 3.000. Drei Viertel von ihnen hatten ihre Mindeststrafe abgesessen, und Hunderte hatten das Fünffache der Mindeststrafe abgesessen. Die Politik der Regierung war, dass IPP-Häftlinge so lange im Gefängnis bleiben sollten, bis man der Meinung ist, dass die Risiken, die von ihnen ausgehen, wenn sie entlassen werden, überschaubar sind. Einigen der mutmaßlichen Opfer von John Worboys, deren Fälle von der Staatsanwaltschaft nicht aufgegriffen wurden, wurde versichert, dass die IPP-Strafe faktisch eine lebenslange Haftstrafe bedeutet.

Freeman wurde im Juli 2011 zu 30 Monaten mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. 2012 wurde das Instrument der Sicherheitsverwahrung abgeschafft. Wäre es ein wenig früher zur Abschaffung gekommen, dann wäre Freeman wahrscheinlich nach 15 Monaten auf Bewährung (50% der 30 Monate, zu denen er verurteilt wurde) entlassen worden.

Stattdessen wurde daraus ein faktisches lebenslang. Dazu dürfte auch seine Vergangenheit als Pädo-Aktivist ganz erheblich beigetragen haben. Die anderen Angeklagten erhielten 12 bis 24 Monate, ohne Sichheitsverwahrung.

Die Straftaten des Menschen, den die SUN „Monster“ nennt, bestanden darin, dabei geholfen zu haben, Kontakte zwischen Pädophilen vermittelt zu haben und fiktive Kinderpornographie gezeichnet, besessen und geteilt zu haben. Eine Straftat zum Nachteil eines real existierenden Kindes wurde ihm nie zur Last gelegt.

Aus meiner Sicht ist keine der Taten strafwürdig.

Überall sonst werden Selbsthilfegruppen akzeptiert und gar gefördert. Pädophile sind so stark diskriminiert wie keine andere Gruppe. Mit fällt niemand ein, der emotional so sehr darauf angewiesen ist, andere Menschen zu finden, die wirklich verstehen, wie man empfindet und einen nicht vorverurteilen. Und doch werden ihre Selbsthilfegruppen als „Pädophilenringe“ in die Nähe krimineller Vereinigungen gerückt, skandalisiert und kriminalisiert.

In Texten und Zeichnungen gibt es keine real existierenden Kinder, die man schützen müsste. Geschützt wird durch ein Verbot lediglich das eigene Moralempfinden, dem die Existenz „abscheulicher“ Bilder angeblich nicht zuzumuten ist. Das ist anti-tolerant.

Toleranz meint ein Aushalten, Dulden, Geltenlassen und Gewährenlassen anderer Überzeugungen, Handlungsweisen und Sitten. Da wir letztlich alle darauf angewiesen ist, dass irgend etwas, das uns ausmacht oder berührt von anderen „ausgehalten“ wird, ist Toleranz eine Schlüsseltugend.

Dreierlei ist wichtig im Leben: Erstens: Toleranz. Zweitens: Toleranz. Und drittens: Toleranz.

Henry James

Toleranz ist das menschenfreundliche Verständnis für Eigenschaften, die der eigenen Gewohnheit, der eigenen Überzeugung und dem eigenen Geschmack fremd sind.

Albert Einstein

Was ist das: Toleranz?
Es ist die schönste Gabe der Menschlichkeit.
Wir sind alle voller Schwächen und Irrtümer; vergeben wir uns also gegenseitig unsere Torheiten.
Das ist das erste Gebot der Natur.

Voltaire

Toleranz ist ein Gebot der Mitmenschlichkeit, dass zugleich wechselseitigen Schutz verspricht, denn wer Toleranz übt, darf auch selbst auf Toleranz hoffen. Toleranz ermöglicht damit ein soziales Miteinander in größtmöglicher Individualität. Nicht umsonst ist mit dem Toleranz-Paradoxon einzig die Intoleranz von der Toleranz ausgenommen. Und so wie Toleranz eine zutiefst soziale Tugend ist, ist Intoleranz in ihrem Kern asozial und gesellschaftsschädlich.

So wie man heute meint, Pädophilen keine Toleranz schulden zu müssen, hat man früher Ungläubige (wahlweise Protestanten, Katholiken, Ketzer, Juden, Atheisten), „Asoziale“, „Zigeuner“, Juden, Kommunisten, Anarchisten, Alternative oder Homosexuelle vom Schutz der Toleranz ausgenommen. Der Wandel des Zeitgeists, wer angeblich keine Toleranz verdient, ändert nichts an der grundlegenden Schädlichkeit und Verwerflichkeit jeder Ausnahme.

Die Existenz erotischer Zeichnungen von Kindern mag für viele eine Zumutung sein. Aber es ist verdammt nochmal (!) eine Zumutung, die ausgehalten werden muss.

Dies gilt umso mehr als das Verbot einer Ersatzlösung zur Befriedigung von sexuellem Begehren gefährlich ist, denn durch das Verbot wird das Begehren selbst nicht beseitigt – und sucht sich einen anderen Weg.

Ein Zusatzaspekt im konkreten Fall:

Wenn jemand legal tausende Zeichnungen angefertigt hat, in denen vielleicht ein Jahr oder mehr seiner Lebenszeit steckt, darf man den Künstler dann wirklich dazu zwingen, sein Werk zu vernichten, indem man die Strafbarkeit des Besitzes einführt und ihn mit Freiheitsentzug bedroht? Darf man einen Autor wirklich dazu zwingen, sein eigenes Buch zu verbrennen, weil einem der Inhalt nicht passt?

Aus meiner Sicht ist das zu viel verlangt und unzumutbar.

Bücherverbrennungen sind Teil einer dunklen Vergangenheit, die man eigentlich überwunden glaubte. Und doch sind die Zeichnungen von Steven Freeman heute ebenso verloren wie die abgeschlagenen Penisse antiker Statuen, die zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert abgebrochen oder mit einem Feigenblatt versehen wurden oder wie die zerstörte antike Bibliothek von Alexandria.

Kulturvernichtung wird nicht dadurch besser, dass es sich um die (Sub-)Kultur einer verachteten Minderheit handelt, so wenig wie ein Genozid besser wird, wenn man seine Opfer verachtet und entmenschlicht.

Der öffentliche Nachruf auf Steven Freeman ist „Monster, das niemand vermissen wird“. Wer findet in diesen Zeilen noch den Menschen?

Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.

Heinrich Heine

Da man Menschen heute nicht mehr verbrennen kann, greift man zu anderen Mitteln. Bei Steven Freeman war es die Sicherheitverwahrung, begründet mit seiner angeblichen Gefährlichkeit.

Was aber war an ihm gefährlich? Einen sexuellen Übergriff gegen ein Kind gab es ja nicht.

Da es nicht an seinen Handlungen gelegen haben kann, müssen es wohl seine Gedanken gewesen sein, was auch in seiner ersten Verurteilung wegen „Verschwörung zur Korrumpierung der Öffentlichen Moral“ zum Ausdruck kommt.

Die anderen Angeklagten, die keine Aktivisten waren, erhielten 12 bis 24 Monate. Freeman, der eine aktivistischen Vergangenheit hatte und zu seinem „gefährlichen“ Überzeugungen stand, kam in die Sicherheitsverwahrung.

Da seine Überzeugungen und politischen Forderungen in der Mehrheitsgesellschaft überhaupt nicht anschlussfähig waren, kann man aber selbst dann nicht ernsthaft von real „gefährlichen“ Gedanken reden, wenn man seine Gedanken und Überzeugungen „abscheulich“ findet. Angesichts des vorherrschenden, extrem ablehnenden Meinungsklimas kann niemand kann ernsthaft glauben, dass er auch nur den Hauch einer Chance gehabt hätte, die öffentliche Moral tatsächlich zu „korrumpieren“.

Welche Gefahr ging nach Ansicht der Richter, die über sein Leben entschieden, von Freeman aus?

Dass er weiter erotische Zeichnungen von Kindern anfertigt, die außer ihm und einigen wenigen persönlichen Kontakten mit gleicher sexueller Neigung nie jemand zu Gesicht bekommen hätte? Dass er Pädophile weiter ermutigt, sich mit anderen Pädophilen zu treffen und sich gegenseitig zu unterstützen? Dass er weiterhin die angesichts der politischen und gesellschatlichen Verhältnisse unrealisierbare Forderung nach einer Abschaffung der Schutzaltersgrenzen erhebt?

Rechtfertigen diese „Gefahren“ es, einen Menschen 10 Jahre lang einzusperren, bis er erkrankt und der Krankheit stirbt?

Für einen bekennenden Pädophilen bedeutet Sicherheitsverwahrung in der Regel lebenslänglich. Es geht nicht um die tatsächliche Gefährlichkeit, sondern um den „falschen“ Glauben an die eigene Ungefährlichkeit.

Wer nicht als Ketzer widerruft und zu Kreuze kriecht, kann heute zwar nicht verbrannt, dafür aber lebenslang eingesperrt werden. Den geläuterten Ketzer geben aber war etwas, das Freeman nicht leisten konnte:

Was in der Schilderung seines Untergangs fehlt, ist, dass es seine Integrität war, die der Schlüssel dazu war. Andere kamen im Vergleich zu ihm sehr glimpflich davon, indem sie die notwendigen Kompromisse mit dem allmächtigen Staat eingingen, aber obwohl er sich der schrecklichen Konsequenzen voll bewusst war, gehörte Steve zu jenen Charakteren, die es nahezu unmöglich fanden, das, was er im Kern seines Wesens für schön, gut und wahr hielt, als schändlich, schmutzig und falsch anzuerkennen.

Da ich Freeman nicht kannte, habe ich keine Idee, ob ich ihn gemocht hätte oder ob er meiner subjektiven Einschätzung nach ein guter Mensch war.

Was ich über ihn erfahren konnte, zeigt aber sehr deutlich, dass ihm Unrecht widerfahren ist. Weder hat er es verdient als Monster bezeichnet zu werden, noch seiner Freiheit beraubt zu werden, noch im Gefängnis mit einer Krankheit angesteckt zu werden und daran zu verrecken.

Wie konnte sich Freeman mit dem Corona-Virus anstecken? Er wird ja kaum Partys gefeiert haben.

Der Staat, der seine Türe eintrat, der log, um eine Abschiebung unter falschen Voraussetzungen zu erreichen, der seine Kunst vernichtete und ihn für seine Überzeugungen einsperrte, dieser Staat hat auch beim Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit versagt und ist letztlich für seinen Tod verantwortlich.

Rückblick und Ausblick (mit Corona-Exkurs)

2020 war für viele Menschen ein schwieriges Jahr. Bei den meisten lag es an den Wirkungen und Nebenwirkungen von Corona. Auch in meiner eigenen Familie gab es Leidtragende.

Ein enges Familienmitglied wurde nach 30 Jahren Mitgliedschaft aus dem Turnverein ausgeschlossen, weil es sich zwar an alle geforderten Regeln hielt, es dabei aber (nach Meinung zumindest einiger anderer Mitglieder) an der rechten Ernsthaftigkeit und dem gebotenem Eifer fehlte. Damit ist ein wichtiger sozialer Kontakt ebenso weggefallen wie die positiven Gesundheitswirkungen des regelmäßigen Sports.

Ein anderes enges Familienmitglied, das (ebenfalls) zu dem halben Dutzend Menschen gehört, die von meiner sexuellen Orientierung wissen, fühlt sich durch die Corona-Maßnahmen und -verbote massiv in seinen Freiheitsrechten verletzt. Ich bekomme von dieser Seite regelmäßig Handy-Nachrichten mit Links auf kritische Quellen zum Umgang mit Corona. Einmal habe ich daraufhin zurückgeschrieben:

Ich empfinde es als signifikante Einschränkung, dass ich nicht lieben darf, wen ich liebe. Dagegen finde ich fast alles andere, was denkbar ist, als geradezu lächerlich.

Die Antwort:

Da kann ich deine Position nachvollziehen.

Das war für mich einer der wichtigsten Sätze, den mir jemand im letzten Jahr gesagt oder geschrieben hat. Er kam von einem für mich wichtigen Menschen, der zwar Bescheid weiß, aber mit dem ich normalerweise nicht über die Sache rede.

Natürlich schränkt Corona auch mich ein – aber ich empfinde die Einschränkungen tendenziell „nur“ lästig. In meinem Universum bin ich anderes gewohnt. Vielleicht härtet das ab.

Ich bin kein Anhänger von Verschwörungstheorien, kein Klimawandelleugner, kein Impfgegner, kein Wutbürger und habe keine besondere Scheu vor fremden Kulturen. Im Grunde bin ich also in weiten Teilen pflegeleicht in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt. Man muss schon einiges anstellen, um mich auf die Palme zu bringen. Ich finde es aber auch falsch, auf Verschwörungstheoretiker, Klimawandelleugner, Impfgegner, Wutbürger herabzusehen. Schon die Begriffe sind abwertend. Besonders deutlich wird das an Wortschöpfungen wie Covidioten.

Wenn Menschen auf die Straße gehen, ist das in der Regel ein Indiz dafür, dass etwas falsch läuft. Die Menschen sehen etwas, was man selbst vielleicht nicht sieht. Und sie müssen damit auch nicht falsch liegen. Wenn einem dazu nur Beleidigungen einfallen, kann man das Problem (was immer es sein mag) nicht lösen.

Lt. den Zahlen von Spiegel.de hat Frankreich (66,99 Millionen) 2.677.871 Infizierte und 64.760 Corona-Tote. Pro eine Millionen Einwohner sind das 39.974 infizierte und 967 Tote. Frankreich hat dem Virus bekanntlich den Krieg erklärt.

Schweden hat den Virus demgegenüber eher die Koexistenz erklärt. Das Land (10,23 Millionen) hat 437.379 Infizierte und 8.727 Tote. Pro eine Millionen Einwohner sind das 42.754 Infizierte und 853 Tote.

Irgendwo dazwischen liegt die Schweiz (8,57 Millionen Einwohner). Es gab bereits einmal einen harten Lockdown. Aktuell gibt es wieder einen nicht ganz so harten. Restaurants und Kneipen sind wieder dicht, die Läden noch offen, Skipisten ebenso. Man verzeichnet dort 452.296 Infizierte und 7.662 Tote. Das sind 52.777 Infizierte und 894 Tote pro eine Millionen Einwohner.

So schlecht sind die schwedischen Zahlen im Vergleich also nicht. Trotzdem berichtet der Spiegel vom „Schwedischen Corona-Desaster“ oder titelt: „Falsche Corona-Strategie: Das schwedische Scheitern“.

Wenn man die Schweden runter machen will, vergleicht man sie stattdessen lieber mit Norwegen (5,385 Millionen Einwohner). 49.803 Infizierte, 436 Tote. Das sind lediglich 9.248 Infektionen und 81 Tote pro eine Millionen Einwohner.

Aber warum soll man sie nicht stattdessen mit Belgien (11,46 Millionen Einwohner) vergleichen? 646.496 Infizierte, 19.528 Tote, also pro Millionen 56.413 Infizierte und 1.704 Tote – deutlich schlechtere Werte als in Schweden, Frankreich und der Schweiz. Trotz harter Lockdowns.

Wirkt sich also die jeweilige landesspezifische Politik gegen Corona ohnehin nicht aus? Dann könnte man es überall machen wie in Schweden.

In Deutschland starben lt. Wikipedia 1957/58 etwa 30.000 Menschen an der Asiatischen Grippe. An der Hong-Kong Grippe starben 1968 bis 1970 52.250 Menschen. In der Grippe-Saison 2017/18 gab es 25.100 Tote. Bei Corona sind es in Deutschland lt. Spiegel bisher 33.883 Menschen. Weder 1957/59, noch 1968 bis 1970, noch 2017/18 kam wegen der jeweiligen Epidemie alles zum Erliegen. Warum ist es jetzt anders?

Natürlich weiß man nicht, wie die Zahlen in Deutschland ohne die diversen Lockdowns aussehen würden, aber der Einfluss der länderindividuellen Strategie scheint nicht so gewaltig zu sein.

Oder ist die Politik vielleicht in jedem Land jeweils so zurückhaltend wie möglich und die Grenze in Hinblick auf Infizierte und Tote, bei der Maßnahmen angezogen werden ist etwa vergleichbar, weil die Krankensysteme an einer ähnlichen Stelle vor der Überlastung stehen und eine ähnliche kulturelle Sensibilität besteht, welche Anzahl an Toten „zu viel“ ist und schärfere Maßnahmen erfordert?

Dann müssten Länder mit viel Körperkontakt oder gar Begrüßungsküssen (wie in Frankreich und Belgien) früher an die Grenzen kommen und eher schärfere Maßnahmen ergreifen als Länder mit im Umgang distanzierteren Menschen wie Schweden oder Norwegen.

Unplausibel ist weder das eine, noch das andere. Wie immer es wirklich sein mag: der schwedische Weg ist aus meiner Sicht sicher nicht so bescheuert, menschenverachtend oder hat in dem Maße versagt, wie es immer wieder dargestellt wird. Der deutsche Weg ist im Umkehrschluss nicht annähernd so alternativlos, wie von Politik und Medien oft behauptet.

Deshalb muss man den deutschen Weg aber auch nicht gleich verteufeln. Ich habe keine gröberen Zweifel daran, dass sich die Zuständigen in Deutschland darum bemühen, die beste Antwort auf das jeweilige Infektionsgeschehen zu finden und ich habe keine Erkenntnisse, die es mir erlauben würden, aus dem Brustton der Überzeugung zu sagen, dass sie damit völlig daneben lägen.

Schwierig finde ich es aber, wenn ich verarscht werde. Die Pharmazeutische Zeitung berichtet:

In der Erhebung des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur gaben 32 Prozent der Befragten an, sich so schnell wie möglich immunisieren lassen zu wollen. Weitere 33 Prozent sind zwar ebenfalls dazu entschlossen, wollen aber trotzdem erst einmal mögliche Folgen der Impfung bei anderen abwarten. 19 Prozent haben sich gegen eine Impfung entschieden, 16 Prozent sind noch unentschlossen.

Demgegenüber erklären 100% der Moderatoren in öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten das Impfen zur Bürgerpflicht. Dabei dürfte man erwarten, dass es in der Realität nicht wenige Moderatoren gibt, die sich noch nicht oder überhaupt nicht impfen lassen wollen. Wenn sich das in der Berichterstattung nicht widerspiegelt, wird der Zuschauer letztlich zum Objekt einer ihrem Wesen nach heuchlerischen Erziehungskampagnie degradiert.

Die Printmedien machen es nach. Impfen wird vom Stern gar auf dem Titelblatt zum Akt der Nächstenliebe ausgerufen. Als wäre im Umkehrschluss jeder, der sich nicht impfen lassen will, asozial.

Das ist aus meiner Sicht keine akzeptable Art, mit mündigen Bürgern umzugehen.

Als ähnliche Verarschung empfinde ich es, wenn man – wieder besseren Wissens, weil nicht genug Masken verfügbar sind – zunächst behauptet, Masken brächten nichts, nur um sie dann später, als der Engpass gelöst ist, verpflichtend zu machen. Wer so informiert, muss sich nicht wundern, wenn die Leute Toilettenpapier kaufen, wenn man ihnen erklärt, dass es auch morgen noch welches gibt.

Aktuell ärgert mich die Positionierung der Politik, es dürfe keine „Privilegierung“ von Geimpften (oder Menschen, die die Erkrankung bereits durchgemacht haben) geben.

Einschränkungen der Freiheitsrechte von Bürgern bedürfen der Rechtfertigung. Sie müssen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein. Dass weiß auch jeder Politiker, spätestens seit etliche Corona-Verordnungen von Gerichten gekippt wurden. Jemandem, der sich und andere nicht mehr anstecken kann, darf man seine Freiheitsrechte nicht mehr mit dem Verweis auf objektiv nutzlose und vermeintlich moralisch gebotene „Solidarität“ wegnehmen.

Letztlich wird es die Politik sein, die – wenn die als nötig empfundene Impfquote nicht erreicht wird – eine höhere Impfquote durchdrücken wird. Schließlich wollen die Leute irgendwann wieder in den Urlaub fahren können, ohne vorher und nachher Tests für insgesamt 150 EUR pro Person zahlen zu müssen. Vor die Wahl gestellt lassen sich die meisten dann doch lieber kostenlos impfen.

Wenn man nun so tut als würde man „Privilegien“ ablehnen, wäscht man sich schon mal vorsorglich rein, um später dann „widerwillig“ doch etwas anderes zu machen. Hauptsache der Wähler ist einem nachher nicht böse. Bei mir wird diese Besänftigungs-Strategie nicht aufgehen. Ich bin zwar im allgemeinen recht pflegeleicht, aber ich kann es nicht ausstehen, angelogen zu werden.

Trotz allem: irgendwann ist Corona vorbei. Nicht als Virus, nicht als Krankheit, aber als Pandemie, die das tägliche Leben einschränkt.

Die Einschränkungen, mit denen ich lebe, werden bleiben.

Die Möglichkeiten pädophiler und hebephiler Menschen, ein Leben mit einigermaßen akzeptabler Lebensqualität zu führen, werden seit mindestens drei Jahrzehnten durch den Aufbau eines hetzerischen Feindbildes (Kinderschänder / Seelenmörder / Zeitbombe) und immer neue Gesetzesverschärfungen stetig weiter beschnitten.

Es ist schon ein Erfolg, wenn sich die nächste deutliche Verschlechterung der Situation durch eine weitere Reform des Sexualstrafrecht nun zeitlich verzögert, auch wenn man noch nicht weiß, ob zur nächsten Verschärfungsrunde nur Monate oder vielleicht sogar ein paar Jahre gewonnen wurden.

Im Grunde denke ich, dass der Kampf für unsere Generation und vielleicht auch die zwei nächsten verloren ist. Das heißt aber nicht, dass der Kampf nichts bewirkt. Er schafft die Voraussetzung dafür, dass irgendwann ein anderer den Kampf weiterführen und gewinnen kann.

Wir stehen vielleicht da, wo die Schwulen 1920 standen. 100 Jahre später dürfen sie ihre Sexualität offen ausleben, heiraten, Kinder adoptieren. Aber vor 80 Jahren wurden sie vergast. Ich glaube ganz so schlimm wird es nicht werden, aber der Druck wird weiter wachsen. Trotzdem: irgendwann wird es besser.

Und trotz meines Pessimismus erinnere ich mich auch noch daran, dass ich als Kind glaubte, den Ostblock werde es immer geben. Die Grenzen hatten sich ja schon für ein paar Jahrzehnte kaum verändert. Und dann bricht die Sowjetunion zusammen und die Welt ändert sich in kürzester Zeit komplett auf vorher unvorstellbare Weise.

Das kann auch in anderen Bereichen passieren. Es ist also keineswegs ausgeschlossen, dass wir auf eine heute noch nicht vorstellbare Weise bedeutende Fortschritte erzielen. Es wäre ja z. B. bereits etwas, wenn z.B. fiktive Ersatzbefriedigungsmöglichkeiten vollkommen legalisiert werden würde. Das halte ich im Prinzip auch für möglich.

Die Strafverschärfungsdebatte hat mir im abgelaufen Jahr emotional deutlich mehr zugesetzt als Corona. Das ist ein fahrender Zug, der uns plattwalzt. Und er macht keine Anstalten abzubremsen. Man schmeißt ständig neue Kohlen ins Feuer.

Man sollte aber nicht vergessen, dass es zwei Kämpfe gibt.

Den um die gesellschaftliche Meinung. Zwar verlieren wir ihn im Moment, aber er ist auch nie zu Ende. Egal wie schlimm es ist und wie schlimm es noch werden wird, kann er immer noch irgendwann gewonnen werden.

Und dann gibt es den Kampf um das private Glück und das gelungene Leben.

Das ist der wichtigere Kampf. Man kann den gesellschaftlichen Kampf verlieren (oder ihn sogar aufgeben) und den Kampf um das private Glück trotzdem gewinnen.

Ich wünsche euch (und mir) gute Kämpfe.

Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.

Bertolt Brecht