Am 22.04. sendete das Politmagazin Panorama einen monatelang vorbereiteten Bericht über die Nutzung von Alltagsbildern von Kindern durch „Pädosexuelle“.
Titel des Beitrags: Geklaut: Private Kinderfotos auf Kinderpornografie-Seiten. Der TV-Bericht wird von der Berichterstattung auf den Webseiten.von Panorama flankiert. Geschichten wie diese sollen aufrütteln:
Es ist immer wieder derselbe Junge, noch keine zehn Jahre alt. Beim Fußballtraining, beim Shopping, im Schwimmbad. Harmlose Bilder, Schnappschüsse. Ein ganzes virtuelles Fotoalbum, mit 979 Fotos und 105 Videos. Entdeckt in einem Forum für Kinderpornografie im sogenannten Darknet. Die Aufnahmen stammen allesamt von der Instagram-Seite des Jungen aus Süddeutschland. Die ist offenbar eine Art Selbstbedienungsladen für Pädosexuelle geworden. Für die Eltern ein Schock. Sie fühlen sich hilflos – und löschen die Instagram-Seite des Sohnes.
Über die eigenen Recherchen schreibt man:
Recherche unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen
Im Bereich von Kinderpornografie zu recherchieren, ist heikel. Aus ersichtlichen Gründen ist nicht nur der Besitz solcher Aufnahmen strafbar, sondern schon das bloße Ansehen dieser Fotos und Videos. Wer sich in dieser Umgebung aufhält, macht sich schnell strafbar. Gleichwohl hat die Öffentlichkeit ein hohes Interesse daran, über solche Gefahren für das Kindeswohl unabhängig und anschaulich informiert zu werden.
Für journalistische Recherchen kann es daher Ausnahmen geben, wenn sie allein der Erfüllung beruflicher Pflichten dienen. Panorama mietete daher für mehrere Monate einen streng abgeschirmten Raum in der Bundespressekonferenz in Berlin an, zu dem nur ausgewählte Personen Zutritt hatten. Alle Computer und Server waren mehrfach verschlüsselt, um auszuschließen, dass unbefugte Personen in Besitz des Materials kommen. Ziel war es, die scheinbar harmlosen Alltagsfotos von Kindern herunterzuladen, um anschließend ihre Herkunft zu erklären. Illegales Material, insbesondere Missbrauchsfotos und -videos, wurde nicht heruntergeladen.
Bei der Veröffentlichung des Berichts war man dann leider etwas weniger sorgfältig.
Ein Leser meines Blogs hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass im Bericht eine als „größter Pädochat im Darknet“ bezeichnete Seite gezeigt wurde, auf der Bilddaten verlinkt zu sein scheinen, von denen man anhand der textlichen Beschreibung ausgehen muss, dass es sich um kinderpornographisches Material im Sinne von Missbrauchsabbildungen handelt.
Panorama zeigte in der gesendeten Ursprungsversion des Beitrags gut lesbar die Adresszeile des Browsers für den Aufruf dieser Seite. Die ARD verschaffte damit allen Zuschauern der Sendung – lt. Einschaltquote 2.73 Millionen Menschen – den Zugang zu kinderpornographischem Material und einen Einstiegspunkt in die dunkelsten Ecken des Darknet.
„Zugänglich machen“ ist eine der Handlungen, die nach § 184b (Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte) strafbar ist, konkret:
(1) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer
1. einen kinderpornographischen Inhalt verbreitet oder der Öffentlichkeit zugänglich macht; kinderpornographisch ist ein pornographischer Inhalt (§ 11 Absatz 3), wenn er zum Gegenstand hat:
a) sexuelle Handlungen von, an oder vor einer Person unter vierzehn Jahren (Kind),
b) die Wiedergabe eines ganz oder teilweise unbekleideten Kindes in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung oder
c) die sexuell aufreizende Wiedergabe der unbekleideten Genitalien oder des unbekleideten Gesäßes eines Kindes,
Man darf getrost davon ausgehen, dass 2.73 Millionen als Öffentlichkeit durchgehen.
Möglicherweise haben sich die Verantwortlichen dennoch nicht strafbar gemacht. Grund ist § 15 (Vorsätzliches und fahrlässiges Handeln), der besagt:
Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.
Im § 184b steht nichts von Strafbarkeit bei Fahrlässigkeit. Wohl eine „Schutzlücke“, die noch nicht geschlossen wurde, was den Verantwortlichen nun vielleicht ein Gerichtsverfahren und eine Verurteilung erspart.
Inzwischen hat der NDR (der Sender innerhalb der ARD, der für die Panorama-Sendung verantwortlich ist) das Problem offensichtlich bemerkt. In der Webversion und der Mediathek ist die Adresszeile inzwischen unlesbar gemacht.
Die Anzahl pädophiler Männer in der Bevölkerung wird auf 1% geschätzt. Der Anteil hebephiler Männer dürfte deutlich höher liegen. Die Sendung dürfte als von über 27.000 pädophilen Männern gesehen worden sein. Nimmt man die Hebephilen hinzu landet man vielleicht bei 100.000 Menschen, die sich sexuell zu Kindern oder jüngeren Jugendlichen hingezogen fühlen.
Ich selbst bin glücklicherweise kein hormontriefender 20-jähriger mehr. Wenn ich an damals zurückdenke, wäre so ein Link aber durchaus eine ernsthafte Versuchung gewesen. Wer so eine Seite bloß aufsucht hat sich damit aber bereits srafbar gemacht, denn § 184b (3) ist als Unternehmensdelikt (§ 11 Nr. 6 StGB) ausgestaltet („Wer es unternimmt, …“). Somit gilt bereits der Versuch als Vollendung.
Wer sich an den PC setzt, um im Internet nach kinderpornographischen Inhalten zu suchen und zu suchen beginnt, eine Seite findet und aufruft, es sich dann aber aus Scham oder Einsicht anders überlegt und abbricht, hat sich bereits eines Verbrechens schuldig gemacht, denn er hat zum Sich-Verschaffen unmittelbar angesetzt (OLG Schleswig NStZ-RR 2007, 41; OLG Hamburg NJW 2010, 1893 [1896 f.]) Die Mindeststrafe liegt dafür künftig bei einem Jahr Freiheitsstrafe.
Man könnte ja froh sein, wenn jemand, der sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlt, es schafft, lediglich mit seinen Fantasien und dem Konsum von Alltagsbildern durch das Leben zu kommen. Der Panorama Bericht skandalisiert und kriminalisiert diese Menschen. Er betont die vermeintliche Nähe des Konsums von Alltagsbildern zum Konsum von Kinderpronographie und rückt damit die Nutzung von Alltagsbildern in die Nähe des Konsums von Missbrauchsabbildungen. Wer Alltagsbilder von Sozialen Medien herunterlädt „stiehlt“ und wird im Beitrag als Täter bezeichnet.
Darüber hinaus stiftete der Bericht in seiner Originalfassung Pädophile durch das Zugänglich-Machen eines Einstiegs in Bereiche, wo wirklich hochproblematische Inhalte kursieren, indirekt zu Straftaten an, die mit empfindlichen Sanktionen geahndet werden.
Ein Artikel der Stuttgarter Zeitung vom Januar 2020 berichtet, dass 9 von 10 Männern regelmäßig Pornos anschauen. Auf„Ficken.de“ wird im Artikel „Vielleicht bist du süchtig nach Pornos und Sex“ behauptet: „In Norwegen zum Beispiel gaben 96% der Männer und 73% der Frauen an, regelmäßig Pornos zu kucken, ähnliche Werte werden auch in Schweden verzeichnet.“
Als Phänomen kann man jedenfalls feststellen, dass Pornographiekonsum extrem verbreitet ist und zwar auch bei Menschen, denen reale Sexkontakte zu Menschen, die ihrer primären sexuellen Orientierung entsprechen, erlaubt sind. Für Pädophile ist das nicht möglich. Sie müssen auf Alternativen ausweichen. Einige davon sind aus meiner Sicht zu Recht verboten, andere (Real Dolls) werden gerade zu Unrecht verboten. Es kann aber nicht gut gehen, wenn man auch noch die harmlosesten Alternativen skandalisiert und kriminalisiert.
Natürlich wird nicht jeder arme Mensch gleich zum Dieb, aber wenn man vor der Nase eines Bettlers 50 EUR liegen lässt, dürfte die Versuchung, sie an sich zu nehmen, bei einem Bettler doch größer sein, als bei einem Millionär. Für den Millionär ist der Betrag nicht weiter relevant. Für den Bettler ist es eine Wocheneinnahme. Er kann davon heißen Kaffee kaufen, wenn ihm kalt ist oder ein Brot, wenn er hungrig ist. Ihm verspricht das Geld die Linderung von Not und zwar (für jemandem, der von der Hand im Mund lebt) über einen ziemlich langen Zeitraum.
Aus meiner Perspektive erklären im Panorama-Beitrag Millionäre das Betteln für unethisch und skandalisieren es. Zugleich lassen sie vor der Nase der Bettler einen vergifteten Tresorschlüssel zu vermeintlichen Reichtümern fallen.
Wer handelt unethisch? Der Bettler, der danach greift (und der sich in den Augen seiner Mitmenschen ja ohnehin strafbar macht, egal wie sehr er sich anstrengt ehrlich zu bleiben) oder derjenige, der den Bettler verhöhnt und in Versuchung führt?
Aus der Zuschrift eines (anderen) Lesers:
Es geht um Alltagsfotos von Kindern aus sozialen Medien, die anscheinend in so genannten „Non-Nude“-Sektionen von Darknetforen gepostet werden. Ich bin in keinem Darknetforum angemeldet, kann mir aber gut vorstellen, dass das so stimmt. Auch auf legalen BL-Seiten werden ja mitunter Alltagsfotos von Jungs gepostet, wenn auch meistens eher in einem schwärmerischen als einem obszönen Kontext. Obszöne Kommentare findet man aber auch im Netz, teilweise direkt in den sozialen Medien.
In dem Artikel wird durchweg von „Pädosexuellen“ gesprochen. Pädosexuelle klauen Bilder aus Social-Media-Profilen, Pädosexuelle laden diese Bilder in Foren hoch, in denen schwere Missbrauchsdarstellungen gepostet werden, Pädosexuelle posten unter diesen Bildern obszöne, sexuelle Kommentare. Ganz so, als wenn alle Pädosexuellen dies tun würden.
Würde man mit so einer allgemeinen Wortwahl über Heterosexuelle oder Homosexuelle schreiben? Wohl kaum. Es heißt etwa: „Pädosexuelle sind Jäger und Sammler, die gezielt auch solche Kinderbilder suchen.“ Was ist denn so überraschend daran, dass jemand Bilder im Internet sucht? Machen das Männer, die auf Frauen stehen, nicht genauso? Insbesondere bei manchem Single dürfte man doch ebenso Sammlungen von Bildern attraktiver Frauen oder sogar pornografischer Aufnahmen finden. Formulieren sie da auch: Heterosexuelle Männer sind Jäger und Sammler, die gezielt solche Frauenbilder suchen?
Es wird auch explizit vom „Klauen“ von Bildern gesprochen. Würde man dies auch so formulieren, wenn ein heterosexueller Mann ein Bild von einem öffentlichen Social-Media-Profil einer Frau abspeichert? Oder wenn ein Teenie-Mädel ein Bild vom einem Jungen abspeichert, den sie hübsch findet?
(…)
Die ganze Rhetorik dieses Beitrags ist doch darauf ausgerichtet, Pädophile im Allgemeinen als krankhaft, pervers, gestört und gefährlich darzustellen. Beim Zuschauer sollen Ekel und Angst erzeugt werden. In dieser Form ist dies ein gesellschaftlich absolut toxischer Beitrag, der pauschal eine Minderheit angreift.
Natürlich stimmt es, dass obszöne Kommentare unter Kinderbildern geschmacklos sind. Allerdings handelt es sich hier ja um geschlossene Gruppen in einem gesonderten Bereich des Internets, auf die niemand zufällig stößt. Insofern hält sich der Schaden zumindest in Grenzen. Ein größeres Problem sind meines Erachtens Personen, die obszöne Kommentare direkt in den sozialen Medien posten. Dies ist allerdings ein Problem, das Profile sämtlicher Altersklassen betrifft.
Das Reporterteam hat anscheinend sogar einige Eltern damit konfrontiert, die entsetzt reagiert und teilweise ihre Social-Media-Profile gelöscht haben. Ich habe den Eindruck, dass die Absicht hinter solchen plötzlichen Konfrontationen vor allem darin besteht, Panik zu verbreiten. Seine Social-Media-Profile komplett zu löschen ist doch offensichtlich eine Überreaktion.
In dieser Form ist das Sensationsjournalimus. Vielmehr sollten Kinder und wenn nötig auch Eltern ruhig und sachlich über die Funktionsweise des Internets und der sozialen Medien aufgeklärt werden. Wenn man online etwas mit einem größeren Kreis als ein paar engen Freunden teilt oder sogar öffentlich postet, muss man wissen, dass die Daten von jedem abgespeichert und an anderer Stelle hochgeladen werden können. Das lässt sich technisch nicht verhindern, weshalb man nichts ins Netz stellen sollte, von dem man auf gar keinen Fall will, dass es jemand anders in die Finger bekommt. Natürlich hat man trotzdem juristisch gesehen immer das Recht am eigenen Bild.
Diese pauschale Hetze gegen Pädophile finde ich aber unerträglich. (…) Solche toxischen Inhalte werden einfach ohne Gegenstimmen verbreitet.
Gerade erst gab es die letzte sehr große Strafverschärfungsrunde. Zu den Kernpunkten gehören auch Änderungen, die ich für verfassungswidrig halte, z.B. das Verbot von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild oder die Anhebung der Mindeststrafen, die teilweise zu verfassungswidrigen Übermaßstrafen führen dürften. Und, noch bevor die letzte Reform in Kraft getreten ist, geht es nun munter weiter.
Skandalisierung erzeugt Handlungsdruck. Letztlich bereitet man damit stets die nächsten Gesetzesverschärfungen oder das Schließen einer „Schutzlücke“ vor, die zunächst aufwändig problematisiert und ins Bewusstsein gerückt wurde.
Weil „nach kriminalistischer Erfahrung“ Alltagsbilder von Kindern auf Plattformen zu finden sind, die auch kinderpornographische Inhalte vorhalten, wird eine Häufung von Alltagsbildern von Kindern dann künftig vielleicht als ein Indiz gewertet, das den Anfangsverdacht begründet, man könne auch kinderpornographische Inhalte besitzen. Und Schupps tritt jemand nachts die Türe ein, denn auch die zeitlichen Beschränkungen zu Hausdurchsuchungen (im Sommer dürfen Durchsuchungen nicht zwischen 21 Uhr abends und 4 Uhr morgens stattfinden, im Winter nicht zwischen für 21 Uhr und 6 Uhr) will man ja bei Gelegenheit kippen, weil „Pädosexuelle“ nach „kriminalistischer Erfahrung“ vor allem Nachts auf einschlägige Foren zugreifen und man sie gerne in flagranti erwischen will.
Einen § 201a (Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen) gibt es bereits, dort ist unter anderem kodifiziert, was als Lex Edathy bezeichnet wurde:
(3) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Bildaufnahme, die die Nacktheit einer anderen Person unter achtzehn Jahren zum Gegenstand hat,
1. herstellt oder anbietet, um sie einer dritten Person gegen Entgelt zu verschaffen, oder
2. sich oder einer dritten Person gegen Entgelt verschafft.
Vielleicht kommt dann ja bald auch so etwas wie ein § 201b (Verletzung der Würde von Kindern, durch missbräuchliche Nutzung von Bildaufnahmen).
Aussagen wie „Es kann nichts Schlimmeres geben, als Fotos von Minderjährigen im Internet zu verbreiten“ oder Dokus wie „Kinderfotos im Netz:gepostet, geklaut, missbraucht„ oder die Kampagnie von Oliver und Amira Pocher gegen „Pädophilie“ auf Instagram und eben jetzt der Panorama-Beitrag deuten für mich jedenfalls auf die Vorbereitung eines Verbots hin. Welche Form es annehmen wird, ist noch nicht abzusehen.
Immerhin scheinen sich die öffentlich-rechtlichen Sender aber von langer Hand Gedanken zu einer Kompensation von Pädophilen gemacht zu haben, die Alltagsbider von Kindern anschauen.
Der Panorama-Beitrag lief am 22.04.2021 in der ARD. Die Entschädigungssendung läuft am Montag, dem 26.04.2021 um 20:15 im ZDF und heißt > Das Versprechen <. Auf der ZDF Mediathek kann man den Film bereits heute anschauen.
Die Hauptfigur, den 11-jährigen Bendix, spielt Mika Tritto. Hier ein paar Szenenbilder:
Ob man Mika Tritto ausreichend darüber informiert hat, dass er auch von Pädophilen angeschaut werden könnte, ist zur Zeit unklar.
Sollte das tatsächlich der Fall sein, bliebe zu klären, ob Mika angesichts seines Alters überhaupt in der Lage war, einer Veröffentlichung seiner Bilder wirksam zuzustimmen, zumal diese nach Erkenntnissen von Panorama ja voraussichtlich auch irgendwann in Kinderpornographie-Foren landen werden.
Aktuell ist man für das Problem wohl noch nicht ausreichend sensibilisiert. In ein paar Jahren, wenn die Öffentlichkeit endlich aufwacht, dürfe der Rücktritt des Intendanten und des Programmdirektors und die nachträgliche Verpixelung des Jungen im Film aber kaum noch zu vermeiden sein.
Bis dahin schaue ich mir „Bendix“ und andere Jungen wie ihn in Ruhe und (man staune) ohne jedes schlechte Gewissen an. Ich denke ich habe mir die Kompensation redlich verdient.